Warum gerade ein Städtetrip nach Ostgalizien in die Westukraine, mag man sich fragen bei der Planung eines Kurzurlaubs. Aber: Warum NICHT gerade Lemberg oder Lviv oder Lwow?
Inhaltsverzeichnis
Wo liegt dieses Lemberg?
Lemberg liegt in Ostgalizien: Im äußersten östlichen Rand der österreich-ungarischen Monarchie. Ach so, wir sind ja schon viel weiter. Also dann: West-Ukraine, 70 km von Polen entfernt. Weit? Eine andere Welt? Nein, das stimmt so nicht. Von meinem Basislager im Weinviertel bis nach Lemberg ist es nur etwa so weit wie an den Bodensee. Aber von Lemberg an die östliche Grenze der Ukraine, da müsst ihr nochmal doppelt soviele Kilometer drauflegen.
Die Stadt Lemberg zählt noch zu Mitteleuropa, während der Großteil der Ukraine zu Südosteuropa zählt – offiziell. Und warum wir einen Citytrip in die eisigkalte winterliche Ukraine im November gestartet haben anstatt nach Rom, Paris, London oder Nizza? Weil wir unbedingt k.u.k. Luft schnuppern wollten: Denn wer in Lemberg vor der Oper steht, glaubt sich in Wien vor dem Volkstheater, am Ring oder in Prag, Pilsen, Bratislava oder Brünn. Ja, ich sag ja: Monarchie Feeling pur. Genau das Richtige für all jene, die gern ein wenig literarisch oder geschichtlich in der Vergangenheit schwelgen. Also für mich.
Ein Citytrip nach Lemberg in die West-Ukraine ist wie ein Flug mit der Zeitmaschine ins Wien der Jahrhundertwende.
TIPP: Lemberg ist klein genug, um alles per pedes zu erkunden und groß genug, dass man drei Nächte hier in einem netten Hotel verbringen kann, ohne sich zu langweilen. Es gibt Museen wie in Wien, die Oper, Kaffeehäuser und Restaurants mit Jugendstil-Intérieur, Craft-Bier, Straßenbahnen, Studenten, Boutique Shops und Konditoreien. Also wie Wien in klein – nur halt in Galizien.
Lemberg, Lviv oder Lwow – wie heißt es jetzt richtig?
100 Jahre ist es her, da gehörte Lemberg zu Österreich-Ungarn und war Hauptstadt des Königreichs Galizien und Lodomerien. Es war die fünft-größte (!) Stadt der Monarchie – nach Wien, Budapest, Prag und Triest. Früher konnte man mit dem Zug Lemberg von diesen großen Städten aus leicht erreichen, im Jahre 2019 hingegen ist man im günstigsten Falle über Prag 16 Stunden von Wien nach Lemberg mit dem Zug unterwegs. Kein Wunder, dass wir diesmal die AUA vorzogen: Nach nur einer guten Stunde Flugzeit waren wir nach einem Direktflug von Wien nach Lemberg in der Ukraine. So schnell kann es gehen – eine neue Welt und mein persönliches Reiseland Nr. 70.
„Lemberg“ ist der deutsche Name aus der Habsburgermonarchie-Zeit. „Lwów“ ist die polnische Schreibweise, „Lwiw“ heißt die Stadt, seit sie ukrainisch ist und „L´vov“ ist russisch. „Lviv“ wiederum steht auf meinem Flugticket. Lemberg war früher eine extrem mutilinguale und multinationale Stadt: Man sprach damals Polnisch und Ruthenisch (ukrainisch), deutsch, jiddisch, armenisch und hebräisch. Aber 2019 versteht uns keiner und wir verstehen kein ukrainisch und können auch cyrillisch nicht lesen – doch für drei Tage Citytrip in Lemberg reicht es vollauf. Wir haben ja Hände und Füße und ein staunendes Dauerlächeln im Gesicht (manchmal eingefroren ob der tiefen Temperaturen) und es gibt das Internet.
Reisen mit Kultur – Was soll ich besichtigen?
Zuallererst: Der fast einzige Reiseführer über Lemberg ist der aus dem Trescher-Verlag* und der ist unbedingt zu empfehlen. Damit kann man vorort sehr gut durchkommen und viel nachlesen, wenn man zum Aufwärmen in einem der Kaffehäuser sitzt.
TIPP: Aber noch besser ist es, eine private oder free Walking Tour mit den Ukraine-Experten von Lviv Buddy Tours einzuplanen – da gibt´s dann noch viel mehr Infos zu Land und Leuten, der Stimmung in der Ukraine, den Craft-Bieren, der Geschichte mit der Monarchie und Hilfestellung beim Lesen der Cyrillischen Schrift unterwegs. Wenn ich mehr Zeit gehabt hätte, hätte ich über Lviv Buddy Tours auch noch einen Ausflug in das nahe Brody eingeplant, dorther stammt nämlich Joseph Roth, genau: Brody, Ost Galizien.
Übrigens, was ich auch hochinteressant fand: Einer der beiden Mozart Söhne lebte lange Zeit in Lemberg – ich habe während der Mozartwoche in Salzburg bei der Fremdenführerin nachgefragt und noch mehr darüber erfahren.
Es gibt natürlich noch viel mehr Sehenswertes in Lemberg: Street Art, der Friedhof der Kuscheltiere, noch mehr Kathedralen jeder Glaubensrichtung, witzige Shops, Chocolaterien, Art Galleries, die Boim Kapelle, die Märkte mit ausgesprochenen Unikaten, der Schlosshügel, die Friedhöfe, die Museen… Aber wie gesagt: Zwei Nächte sind zu kurz. Im Sommer steppt hier übrigens der Bär, sagt Lviv Buddy Peter Althaus. Das sind die freien Plätzen in den zahlreichen Schanigärten in der City mehr als überfüllt. Na ich sag ja, wie in Wien.
Meine Highlights in Lemberg
- Die Museen – leider nur von außen. Die gingen sich bei zwei Nächten Aufenthalt leider nicht aus. Besonders schön fand ich das Nationalmuseum.
- Prachtbauten im Ringstraßenstil entlang des Stadtboulevards: Früher war hier der Fluss, der läuft jetzt unterirdisch – damit man oben besser promenieren kann.
- Der Stadtturm hat eine fulminante Aussicht
- Armenische Kirche mit original goldener Kuppel
- Die Straßenbahnen
- Das Grand Hotel am Stadtboulevard
- Der ehemalige Judenplatz mit Stelen mit Sprüchen von Granach und Roth
- Die Virmens´ka Straße
- Der Italienische Innenhof des Palais am Rynok Platz
Besonders viel K.u.K. Retro Flair in Lemberg gibt´s hier
- Beim Abend in der Lemberger Oper: Tickets kann man auch ohne ukrainisch Kenntnisse an der Tageskassa kaufen, indem man einfach am Bildschirm auf die gewünschten Plätze im Saalplan zeigt. Man gab „Don Giovanni“ modern in italienischer Sprache mit ukrainischen Übertiteln.
- Die Akademie der Wissenschaften – natürlich auch von Fellner und Hellmer erbaut, die Ende des 19. Jahrhunderts in der österreich-ungarischen Monarchie so ziemlich alle Opernhäuser, Konzerthäuser, Palais und Theater planten, die etwas auf sich hielten. Deswegen fühlt man sich bei „Reisen mit Kultur“ in Prag so wie in Wien und so wie in Pilsen, Karlsbad, Zagreb oder Budapest. Oder eben Lemberg. Oder Augsburg, Zürich, Sofia oder beim Musical im Ronacher in Wien. In Lemberg ist das Intérieur der Akademie für Nostalgiker wie mich ein Höhepunkt jeder Besichtigung.
- Die Iwan-Franko-Universität mit Parkspaziergang
- Statue und Kaffeehaus zu Leopold Sacher-Masoch. Von seinem Namen und literarischen Werk leitet sich die entsprechend vielzitierte Abkürzung ab. Im Grandhotel in Lemberg gibt´s sogar ein dementsprechend ausgestattetes Zimmer. Der Schriftsteller wurde 1836 in Lemberg geboren und war zu seiner Zeit ein vielgelesener Autor („Venus im Pelz“).
- „Unter dem goldenen Stern“: Konditorei und Restaurant in der üppigen Deko einer ehemaligen Apotheke. Unbedingt rauf auf die Balustrade schauen!
- Der k.u.k. Wodka im Restaurant Baczewski: Das Restaurant wird bei jedem Lemberg Aufenthalt von jedem empfohlen (unbedingt reservieren!), aber viel interessanter ist die Story vom Baczewski Wodka, dessen Gründer aus Lemberg stammt und offizieller „k.u.k. Hoflieferant“ war. Sein Wodka wurde in alle Welt exportiert und der Name Baczewski stand für „Wodka“ wie heute Smirnoff (übrigens auch mit Produktion in Lemberg). Die Story um die Fusionierung mit Altvater Gessler und der Niederlassung in Wien – gibt´s online.
- Beim Graf Kolschitzky Denkmal: Der eröffnete angeblich nahe Lemberg – damals Polen Litauen – im Jahre 1640 das erste Kaffeehaus in der Wiener Innenstadt. Die Historiker sagen allerdings: Nur Legende!
Kaffeehäuser, Craft Bier, Wodka und Restaurants in Lemberg
Wenn beim Frühstück ein Glaserl am Tisch steht mit einer Flüssigkeit, die an Eistee erinnert aber nach Zigaretten schmeckt: Das ist Ozwa, ein rauchiger Zwetschken Tee aus Dörrpflaumen. Ein Enzym macht den rauchigen Geschmack. Wir haben es gekostet, bei mir ging das gar nicht, ich hatte das Gefühl, Zigaretten essen zu müssen. Ist aber sehr beliebt und gesund, sagt unser Lviv Chief Buddy, Peter Althaus – die bieten übrigens auch Craft Beer Touren und Tagesausflüge an. Und Kwas ist fermentiertes Brot – haben wir aber nicht äh getrunken. Alles geht sich halt nicht aus in drei kurzen Tagen. Überall findet man aber lokale Cult-Getränke in den kräftigsten Farben mit den übelsten Namen und vor allem Coffee-Drinks.
Was sich aber sehr wohl ausging, waren die folgenden kulinarischen Zwischenstopps in Lemberg:
- VIrmenka Coffeehouse: Türkisch zubereiteter Kaffee über Feuer im Sand (!), mehrfach ausgezeichnet als bestes Kaffeehaus in Lemberg.
- Trapezna Idey: Kantine im ehemaligen Klosterkellner mit galizischer Küche, Galerie von Künstlern. Tricky to find – sagt Tripadvisor. Dann braucht man halt nen Buddy dazu…
- Prawda Brauerei und Beer Theatre: Craft Beer Brauerei mit abendlichen Konzerten. Wir waren dabei!
- Lviv Brewery mit Museum
- Kryyivka-Bunker: Unterirdisches Lokal im Bunker (Password-geschützter Zugang!). Für uns sehr gewöhnungsbedürftig, hat aber sicher Anhänger und soll oft sehr voll sein.
- Samarkand Tea House: Usbekisches Restaurant, oft empfohlen
- Atlas-Cafe: Fand ich gemütlich für jede Tageszeit, ob zum Kaffee oder für das Mittagsmenü auf ukrainisch.
- Das Wiener Kaffeehaus: Sieht von außen authent aus und hat auch eine Auszeichnung als echtes Kaffeehaus (UNESCO), aber innen fehlt der Flair.
- Zuckernya: Besuchenswertes Kaffeehaus, fast schon so üppig wie eine echte Konditorei in Wien.
- Dieses POST Café war der Hammer: Voller Postkarten und die unglaublich viele waren aus Österreich oder Wien nach Lemberg und retour: Ich fand eine Postkarte in den 21. Bezirk und in die berühmte Wohllebengasse. Begeisterung.
- Baczewksi Restaurant: Palmen, üppiger Dekor, Glashaus-Feeling, Piepmätze im Käfig und Vodka. Ganz ein eigenes Feeling, aber erlebenswert. Vor allem, wenn man dann mit dem Kellner über den k.u.k. Vodka fachsimpelt (aus Wien), der hier literweise über die Tische geht. Gehört zur Kumpel-Group, kennt man hier.
- Coffee Manufacture: Unser erstes Kaffeehaus in Lemberg inkl. Einkauf von frischen Kaffeebohnen, abgefüllt per Hand wie damals. Dunkel, spooky, aber ein Erlebnis indoors.
Lemberg Hotels. Tipps von den Lviv Buddies
Wir haben im Panorama Lviv Hotel unmittelbar neben der Oper gewohnt. Zum ersten, weil in der Beschreibung stand: Jugendstil und zweitens, weil von der Suite ein Atem beraubender Blick auf die benachbarte Lemberger Oper beworben wurde. Den Ausblick hatten wir – der war traumhaft – Jugendstil war indoors nicht mehr vorhanden und das Service war unwillig. Aber auch der Ausblick vom übersichtlichen Frühstücksbuffet auf die Oper und den Boulevard haben uns mehr als entschädigt.
Peter Althaus von Lviv Buddies empfiehlt u.a. noch folgende Hotels:
- Hotel Atlas Deluxe
- Hotel Rudolfo
- Vintage Boutique Hotel
- Swiss Hotel Lviv
- Leopolis Hotel
Infos und Lektüre zu Lemberg und Galizien
- Alexander Granach – der berühmte Max Reinhardt Schauspieler in Berlin der 1920er Jahre, war Lemberger.
- Kaffeehäuser in Lemberg
- Die auferstandene Kaffeehaus Kultur in Lemberg, Die Presse, Jutta Sommerbauer
- Alexander Granach: „Da geht ein Mensch“ – autobiographischer Roman. Vom Bäckergesellen aus Lemberg zum gefeierten Theaterstar in Wien*
- Moritz Szeps, der bekannte Wiener Journalist und Intimus von Kronprinz Rudolf, Vater von Bertha Zuckerkandl – kam aus Busk in Galizien und studierte in Lemberg Medizin, bevor er in Wien zur Zeitung ging.
- Die vielen Sprachen Lembergs, DerStandard.at
- „Rückkehr nach Lemberg“, Philippe Sands, 2018*
- „Lemberg. Die vergessene Mitte Europas“, Kleveman, 2017*
- Reiseblog Blickgewinkelt über Lemberg
- Live Video vom Stadtbummel in Lemberg von Andersreisen
- Todaywetravel war auch in Lemberg und hat noch ganz andere Tipps als ich.
- Die Schweizer Reisebloggerin Travelita in Lemberg: Reiseguide
2 comments
sehr schöne Lemberg Seite. Kenne die Stadt seit fast 20 Jahren sehr gut, Sie habens wirklich gut getroffen und auch für mich war 2005 oder 2006 das erstemal am Rynok (Platz ums Rathaus) der erste Eindruck: wow, die österreichischste Stadt, die ich kenne. Ganz k+k. Schön. Auch dass ich hier Salzburg und Bad Ischl sehe, freut mich. Danke.
Lemberg werden wir sicher wieder besuchen. Das nächste Mal in den Sommermonaten. Mir hat es dort super gefallen.