„Thüringen? Das ist doch in der ehemaligen DDR?“ Korrekt. Ein Schnellkurs für uns Österreicherinnen in Sachen Goethe und Bach, Liszt und Luther in den schönsten Städten Thüringens: Zwischen Weimar, Gotha und Erfurt unterwegs – mit einem Abstecher auf die Wartburg.
Inhaltsverzeichnis
Thüringen: Musikland & Theaterland.
Abgesehen von den Tatsachen, dass auch wir Österreicher ein eigenes Thüringen (in Vorarlberg) haben und das Café Weimar in Wien bei der Volksoper eines meiner liebsten Kaffeehäuser ist, liegt das ostdeutsche Bundesland Thüringen nicht gerade am Radar der Österreicher als beliebte Urlaubsdestination. Glaubt man. Tatsächlich aber machen die Österreicherinnen etwa im vielgeliebten Weimar die drittgrößte Anzahl an Besuchern aus. Zudem gibt es für uns mehr Bezugspunkte zu dieser Region, als wir glauben mögen.
Schnellkursus „Kultur in Thüringen“: Weimar, Gotha, Erfurt.
Ein Land der Kultur, der Kunst und der Musik, das ist Thüringen. Das heften wir Österreicher uns ja auch gerne auf unsere Fahnen. Hier im deutschen Bundesland Thüringen sind die kulturellen Hot Spots jedoch wie an einer Perlenkette nacheinander aufgefädelt und heißen etwa Weimar, Gotha, Erfurt, Jena, Eisenach. Uns sind natürlich Weimar wegen Goethe und Erfurt wegen des Doms ein Begriff – dann wird das Wissen schon rudimentärer. So ist zudem Weimar von Ostösterreich satte 700 Kilometer Autofahrt entfernt – in der gleichen Zeit kann man schon mal am Meer in Zadar, in Venedig oder an der Grenze zur Ukraine im schönen Przemysl sein. Nur so als Vergleich.
In Thüringen trifft man an jeder Ecke auf Musikevents, Kulturveranstaltungen, Theaterfestivals und vor allem immer wieder auf die wichtigsten Namen unserer gemeinsamen deutschen Literatur- und Musikgeschichte: Goethe, Schiller, Wagner, Liszt, Bach, Brahms. Sie alle lebten, wohnten, liebten, arbeiteten einst in Thüringen – zumindest zeitweise. Aber die Spuren sind allerorten noch vorhanden, vor allem und besonders im Rahmen der zahlreichen Kultur-Events in Thüringen über das ganze Jahr hinweg. Und so ein Event (oder mehrere davon) lassen sich hervorragend mit einem Kultur Trip in die obgenannten Städte-Perlen verbinden. Jeden Abend ins Konzert, Theater oder Musical – ich hab das mal vorgemacht. Sogar beim nächsten TATORT aus Weimar kann ich jetzt nächstens schon ein bisserl mitreden…
Hier kommen meine persönlichen Highlights von meinem ersten Kultur-Trip durch Thüringen. Eine Auswahl zum Gustieren und Nach-Reisen.
- Liszt Biennale – Alle zwei Jahre an den schönsten Locations Thüringens
- Thüringer Bachwochen – das größte Musikfestival in Thüringen
- Bach Festival Arnstedt – Hier gibt es 19 (!) Originalschauplätze rund um das Wirken der Bachs
- Ekhof Festival und Barockfest Gotha – Theater im Barockambiente und das größte Barockfest Mitteleuropas
- Kunstfest Weimar – Ein riesiges Festspielprogramm von Stummfilm bis Sinfonie
- Altenburger Musikfestival
- Literaturfestival Weimar
- Weimarer Sommer – Künstler aus aller Welt auf öffentlichen Plätzen, in Parks und Theatern
- Achava Festspiele – „Achava“, das hebräische Wort für „Brüderlichkeit“- jüdische Impulse in Thüringen
- Konzerte auf der Wartburg
Bach Diversifications :-) Im Bachhaus in Eisenach nahe der Wartburg
Weimar. Wie wunderbar das schon klingt.
Goethe, Schiller, der Liszt Ferenc und „Lotte in Weimar“. Hier waren alle, die wir Österreicher auch kennen und lieben oder von denen wir in der Schule gehört haben. In Weimar hat sich ein guter Teil der deutschen – aber auch der europäischen – Kulturgeschichte abgespielt. Weimar gilt bei unseren deutschen Nachbarn als Zentrum der Literatur und der Schönen Künste, nach Weimar kann man sogar mit Kindern reisen, habe ich mir sagen lassen – trotz der hohen Kulturdurchdringung. Goethe und Schiller als Wahl-Weimarer, Bach, Liszt und Richard Wagner lebten hier, von Weber und Mendelsson-Bartholdy sowie Richard Strauss – hier waren sie alle.
Die Kunstschule des Bauhaus wurde vor 100 Jahren hier in Weimar gegründet und zwar von Walter Gropius, der 1919 Direktor desselben wurde. Einige Jahre später baute er einen „Kreis der Freunde des Bauhauses“ auf – wohl aus finanziellen Gründen – und da standen dann die großen Namen „unserer“ Wiener Moderne drauf: Josef Hoffmann, Arnold Schönberg, Oskar Kokoschka und Franz Werfel. Alle – bis auf Hoffmann – Intimfreunde seiner temporären Gattin, Alma Mahler, die er 1910 auf Kur in Tobelbad kennengelernt und mit der er 1915-1920 verheiratet war. Von Weimar war sie kein großer Fan, verglichen mit ihrem Leben als Salonière in Wien und ihren dortigen Liebschaften, fand sie Weimar provinziell und mied es erfolgreich.
Weimar – Meine Highlights
- Goethes und die Frau von Stein: Sein Wohnhaus, in dem er 50 Jahre lang lebte, sein Gartenhaus und Liebesnest im Park an der Ilm und Charlotte von Steins einstiges Wohnhaus.
- Schillers Wohnhaus
- Johann Sebastian Bach: War in Weimar Hoforganist und Kammermusicus, sechs seiner kinder sind hier geboren. Hier saß er auch mal 4 Wochen in der Bastille – er hatte ein Doppelengagement unterschrieben.
- Liszt Haus: Das frühere Wohnhaus des rastlosen, ungarischen Komponisten mit den zahllosen Frauengeschichten und Richard Wagner als Schwiegersohn.
- Das Kunstfest Weimar: Ein riesiges Programm vom Stummfilm bis zur Installation.
- Das Neue Bauhaus Museum
- Das Deutsche Nationaltheater und Staatskapelle Weimar
- Das Theater im Gewölbe
- Die Bibliothek der Anna Amalia mit dem Rokokosaal.
Weimar Dia Show
„Gotha adelt“. Wen adelt Gotha?
Conrad Ekhof war im späten 18. Jahrhundert in seinem Gothaer Hoftheater quasi der Max Reinhardt seiner Zeit, DER Theatermann, mit dem zahlreiche Neuerungen im Theater einher gingen: Kein reines Hoftheater mehr, sondern Theater auch für Bürger sowie ein fixes Ensemble. Und wenn wir Österreicher ihn nicht kennen, sein Ensemblemitglied August Wilhelm Iffland kennen wir sehr wohl – der mit dem Ifflandring, genau. Er war Publikumsliebling unter Ekhof, brillierte als Franz Moor in Gotha und tourte dann über alle bekannte Bühnen, natürlich auch nach Weimar – Goethe schätzte ihn außerordentlich.
Gotha befindet sich heute touristisch ein wenig im Konkurrenzmodus mit Weimar, wie mir während meines Aufenhalts schien. Warum? Hätte sich Goethe nämlich nach seinem legendären Italien Trip Gotha und nicht wieder Weimar für sein Wirken ausgesucht (Ernst II. in Gotha war ein aufgeklärter Herrscher, dem Theater zugetan und – wie wir wissen: „fixes Ensemble“ bei Ekhof im Theater…), hätte Gotha heute vielleicht die hohen Besucherzahlen Weimars.
Doch Gotha hat heute seine eigenen prachtvollen Besonderheiten: Das Residenzmuseum und das Schloss Friedenstein, das Barockfest und das älteste Barocktheater mit noch funktionierender und Kulissenmaschinerie aus dem 17. Jahrhundert. Das zu sehen allein wäre für mich eine gesamte Reise wert: Ein Abend im besagten Ekhof-Theater aus dem 17. Jahrhundert mit Kulissen, die per Holzrädern und Seilen unter der Bühne angetrieben werden. Wo beim Kulissenwechsel noch „umgeknüpft“ werden muss, man an der Windmaschine kurbelt und einen Donner aus Holzkugeln produziert. Ich war dabei, bei Molière im Ekhoftheater beim gleichnamigen Festival. Und nie hat mir ein Molière in den letzten Jahren besser gefallen. In diesem Setting und Ambiente – wo man alle Zeit der Welt hat, um auf den Umbau neuer Kulissen zu warten und dann begeistert „Ah“ und „Oh“ schreit, wenn sich auf der Bühne was bewegt – Beeindruckend!
Aber noch zum obgenannten Adel: Im Residenzmuseum stoße ich auf einen Stammbaum, der auf einen Blick klar macht, wer mit diesem Haus Sachsen-Coburg-Gotha einst aller verbandelt war. Nämlich jeder und alle. Auch wir. Nicht umsonst ist der „Almanach de Saxe Gotha“ DAS Nachschlagewerk in Sachen Adel. Ganz kurz ein winziger Einblick: Kaiser Franz Josefs Bruder Maximilian war mit Charlotte von Belgien, der Tochter Leopolds v. Sachsen Coburg Saalfeldt verheiratet. Und Kronprinz Rudolf mit der Enkelin desselben, mit Stephanie. Und jeder nostalgische Österreicher kennt auch Ernst Marischkas Schmalzfilm (1954) mit Romy Schneider über die Mädchenjahre der englischen Königin Victoria, als sie sich in den schneidigen Deutschen Albert von Sachsen Coburg verliebt, bzw verlieben muss. Die Ehe war übrigens glücklich, die beiden waren quasi ein royales Traumpaar ihrer Zeit – ihr 200. Geburtstag wird 2019 in Gotha zelebriert.
Nicht versäumen in Gotha
- Ekhof-Theaterfestival und das Barockfest
- Das Barocktheater selbst
- Das Herzogliche Museum Gotha
- Schloss Friedenstein – Das GESCHLECHT Sachsen Gotha Coburg
Gotha Dia Show
Erfurt. Der Dom, die Synagogen und DER Schatz.
Der Dom! Den kennt man auch, wenn man ihn nicht kennt. Wer Glück hat, lernt ihn auch als Musical- oder Opernlocation im Sommer bei den „Domstufen-Festspielen“ oder bei einem der vielen Domkonzerte kennen. Luther sagte über die Landeshauptstadt Thüringens einst: Erfurt „liegt am besten Ort. Da muss eine Stadt stehen.“ – Direkt an der berühmten Via Regia, der alten Handelsstraße.
Für mich persönlich auch ein Highlight: Erfurt hat mit seiner Alten Synagoge aus dem 11. Jahrhundert die älteste, bis zum Dach erhaltene Synagoge in Mitteleuropa – mit einem außergewöhnlichen Museum zur Geschichte der einst großen jüdischen Gemeinde. Im Keller: DER berühmte SCHATZ mit dem jüdischen Hochzeitsring, den ein Jude vor den drohenden Progromen 1349 vergrub. Und wer beehrte noch Erfurt, den auch wir Österreicher kennen? Nach Adam Riese (der auch!): Goethe, Schiller, Luther (dessen geistige Heimat Erfurt war und wo er die Priesterweihe empfing und Mönch wurde), Wilhelm von Humboldt, Bach, Napoleon und Zar Alexander 1.
Auf der Krämerbrücke tauchen wir ein ins Handwerk des Puppenmachers Martin Gobsch, um wenig später im Theater Waidspeicher das Puppenspiel at it´s best zu beobachten. Ein wenig erinnert mich das Theater und der Speicher mit den Puppen an das UNESCO Weltkulturerbe des Salzburger Marionettentheaters – eine eigene Welt. Denn Puppen sind nicht gleich Puppen, wie wir spätestens seit Nikolaus Habjan wissen.
Hier in Erfurt erkenne ich die verschiedenen Spielweisen beim Puppenspiel: Es gibt Handpuppen, Stehpuppen, Puppen an Fäden und Puppen an Stäben. Auch die Spielweisen kann variieren.
Sieht man den Puppenspieler, ist er Teil der Inszenierung oder nur Mittel zum Zweck und versteckt am Schnürboden? Ganz wichtig ist auch der Blick des Puppenspielers: Schaut er seine Puppe an, tut man als Zuseher das auch und vergisst den Spieler. Sieht der Puppenspieler aber mich als Zuschauer an – dann werde ich von der Puppe abgelenkt.
Mein Liebling: Die Ratte, deren Name ich leider vergessen habe.
Meine Highlights in Erfurt
- Domstufen Festspiele
- Die Synagogen, der Schatz und die erhaltene Mikwe – das jüdische Tauchbad
- Theater Waidspeicher
- Theatrum Mundi
- Shoppen und Schauen auf der Krämerbrücke: Die längste durchgehend bebaute und bewohnte Brücke Europas
- Zitadelle Petersberg
Erfurt Dia Show
Die Wartburg. Sängerkrieg, Tannhäuser und Luther.
Die Wartburg nahe Bachs Geburtsort ist eigentlich DIE Burg in Deutschland, oder? Martin Luther versteckte sich hier als „Junker Jörg“, Goethe war öfter hier (wo nicht?) – aber die Blütezeit der original Burg war im 12. Jahrhundert: Schon damals war es ein Anziehungspunkt für Künstler und eine Location für deutsche Dichtung, angeblich der Schauplatz eines der damals üblichen Sängerkriegs. Wer am schlechtesten sang, bekam nicht Null Punkte, sondern wurde getötet.
Moritz von Schwind – wieder ein Österreicher – der mit Schubert und Grillparzer befreundet war, malte den berühmten Sängerkrieg als Fresko für die Wartburg – das gleichnamige Foyer in der Wiener Staatsoper mit seinen Werken kennt jeder Wiener Musikliebhaber. Klingt wirklich nach Wagner, Wonne und Walküren, oder? Wagner wurde durch den verbrieften Sängerstreit auf der Wartburg und den Anblick derselben zu seinem Tannhäuser (nein, nicht zu den Meistersingern) angeregt. Hier im Museum Reuter-Wagner-Villa lagert die größte Wagner-Sammlung außerhalb Bayreuths. Und wie sich eine Nacht auf der Wartburg im Romantikhotel anlässt, kann man hier online nachlesen.
Junker Jörg alias Martin Luther schrieb hier eine Schippel Bücher und legte am Schluss noch die erste lesbare Deutsch- Übersetzung des Neuen Testaments drauf. In sein Kammerl kann man reinlugen – bei diesem Ausblick kann jeder schreiben…
FOTOS rund um die Wartburg
TIPP: Wandern auf dem Rennsteig durch Thüringen
Zu guter Letzt: Thüringer Spezialitäten
Zwischen den Kulturevents muss man ordentlich essen, sonst bringt die ganze seelische Erbauung nichts. Zeit für Labung muss sein – und die geht hier mit vollen Tellern einher. Man fühlt sich fast wie daheim, wenn man schon mittags vor übervollen Tellern mit Bratwurst und Erdäpfelsalat oder Knödeln sitzt. An erster Stelle: Die Bratwürste, die man hier natürlich auch vom „Standl“ essen kann, aber bitte nicht dabei stehen bleiben (das machen nur die Touristen), sondern beim Weitergehen verzehren. Zudem sind die Klöße aus Erdäpfelteig (ähnlich wie unsere Waldviertler Knödel) allgegenwärtig und werden gerne mit reichlich Fleisch, Sauce und Rotkraut verzehrt. Den Blechkuchen gibt´s in vielen Varianten und wenn man Wein trinkt, hört man hier immer wieder die für uns sehr exotisch klingenden Worte „Weinregion Saale-Unstrut“. Das sperrig klingende Weinregion ist das nördlichste Weinanbaugebiet Europas -ich sage nur Muschelkalk und Tonschiefer – fast wie im Weinviertel. Wieder eine Parallele…
Zum Biertrinken bin ich leider nicht gekommen, Thüringen sieht mich also wieder.
HINWEIS: Ich wurde von Thüringen Tourismus auf diese Pressereise eingeladen. Meine Anreisekosten wurden übernommen. Die obgenannten Eindrücke, Schlüsse und Recherchen sind meine eigenen.
2 comments
[…] Zwischen Weimar, Gotha und Erfuhrt: Ein Thüringen Schnellkurs […]
Selbst für uns in Deutschland ist Thüringen immer noch ein geheimnisvolles Land, das entdeckt werden will. Ich kannte bisher nur wenig davon. Nachdem ich die Reiseeindrücke einer Österreicherin aus den wichtigsten thüringischen Städten gelesen habe, ist bei mir der Wunsch geweckt, unbedingt und bald dorthin zu fahren. Man erfährt vieles, was überrascht und verblüfft, vor allem, wer schon alles hier war. Eben nicht nur Goethe und Schiller, sondern grosse Musiker und namhafte Architekten. Das Bauhaus lässt grüssen. Und die Bratwurst darf man nicht im Stehen essen, sondern sollte dabei schlendern…Ich hörte, dass auch Thüringens Wälder ein Geheimtipp sind. Die würde ich mir beim nächsten Besuch ebenfalls anschauen, ganz entspannt, auch wenn‘s dort den Rennsteig gibt.