Durch den Bühneneingang hinein ins Burgtheater, was für ein Gefühl. Von der Unterbühne bis rauf zum Schnürboden durfte ich mal hinter und vor allem unter den Kulissen Theaterluft schnuppern. Meine persönliche Premiere an der Burg.
Inhaltsverzeichnis
Einmal durch den Bühneneingang ins Burgtheater
Ein bisserl ist es wie in den österreichischen Ministerien: Die Minister kommen, reden und gehen wieder – die Menschen im Hintergrund arbeiten durchgehend, egal wer vorne steht. So ist es auch an der Burg in Wien: Die Direktoren und Regisseure kommen und gehen, ein Finanzskandal hier und eine Nachfolgerdebatte dort – aber die 450 Menschen, die hinter und unter den Kulissen seit oftmals Jahrzehnten arbeiten, um hunderte Vorstellungen pro Jahr über die Bühne zu bekommen – die sieht man nur in den seltensten Fällen.
UPDATE 2023: Auf diesem Blog möchte ich zur aktuellen Causa Teichtmeister nicht Stellung nehmen. Bitte sich auf anderen Medien dazu zu informieren, etwa auf derstandard.at
Aber es gibt sie, ich habe sie gesehen. Und sie waren alle unglaublich freundlich, motiviert und theaterbegeistert – so mein Eindruck. Denn nach Jahrzehnten, in denen ich das Burgtheater durch die schweren Pforten am Ring als schnöder Theaterbesucher betreten habe, durfte ich jüngst erstmals beim Bühneneingang rein. Allen anderen war das vollkommen egal, aber für mich war es eine aufregende Premiere.
Gleich an der Pforte war klar: Egal ob Portier, Tontechniker, Lieferant, Theaterärztin, Bühnenarbeiter oder Schauspieler – alle sind hier gleich wichtig. Und allen wird auf Augenhöhe begegnet, soweit ich das in den 2 Stunden feststellen konnte. Doyen und Doyenne (z.Zt. Michael Heltau und Elisabeth Orth) sind hier sicherlich Ausnahmen, aber das gebietet ja auch schon die Höflichkeit.
Das Burgtheater: Skandälchen und Affären von anno dazumals
„In Österreich ist öfter schon alles drunter und drüber und dennoch ins Burgtheater gegangen“. Sagte Karl Kraus, who else. Drunter und drüber, ja in den 130 Jahren, in denen sich der „Neubau“ hier an der Ringstraße befindet, ist auch im Burgtheater manches drunter und drüber gegangen. Vermeintliche Theaterskandale gab´s zu Zeiten von Adele Sandrock („Skandälchen um Adelchen“, mit und ohne Arthur Schnitzler) und Alexander Girardi (Seine Frau und Kollegin Helene Odilon wollte ihn doch tatsächlich loswerden und in die Klapse abschieben – dem Vernehmen nach konnte das die Phalanx Zuckerkandl-Schratt verhindern) als auch in der Ära Benning und Klingenberg, wegen des Heldenplatz-Tumults und letztens in der Ära Hartmann wegen Finanzquerelen und Belästigungsvorwürfen. Letztere wurden in einem offenen, sehr fein formulierten Brief von 60 Burgtheater MitarbeiterInnen – von der Technik über Marketing bis zum Ensemble – an Hartmann herangetragen und von jenem ausführlich beantwortet und teils dementiert.
Während meines Besuchs ist die allseits beliebte Karin Bergmann Direktorin, Martin Kusej steht aber in den Startlöchern und schon jetzt gibt es wieder kleine und große Vermutungen: Wer muss gehen und wer kommt mit? Wir die Burg ganz europäisch und kann/darf sich die österreichische Diktion halten? Es wird also nie fad am zweitgrößten europäischen Sprechtheater. Egal ob vor oder hinter der Bühne.
Eine Burgtheater Führung mit dem Besten: Karl Heindl
Zur Sache: Ich stehe beim Bühneneingang beim Portier und beobachte das Kommen und Gehen, den freundschaftlichen Umgangston untereinander (für sowas bin ich sehr empfänglich) und schließlich kommt Karl Heindl, Leiter des Publikumsdienstes und Sicherheitsbeauftragter und allwissender Burgtheater-Kenner seit über 30 Jahren. Bis auf einen kurzen Lebensabschnitt in Japan hat er einen Großteil seines Lebens in der Burg verbracht: Er kennt von der Wasserzisterne über die Feuermelder und Lagerräume bis rauf zum Schnürboden und zur Wetterkamera am Dach jede Ecke. Jede Ecke, jede Geschichte und jedes Geschichterl. Dazu ist er historisch bewandert, belesen, weltgewandt und offen und steht mit jedem Zoll hinter „seiner Burg“ – soweit mein persönlicher Eindruck während dieser ganz speziellen Führung durch die Burg unter und über der Erde.
Vorbei an der modernen Kantine geht es zum Lastenaufzug, wo gerade Kulissen rumgeschoben werden, hinunter auf -8,8 Meter auf die Unterbühne. Dort stehen die bunten Zwerge der aktuellen „Der Volksfeind“ Produktion rum, daneben beschriftete Kulissen und Utensilien. Das Burgtheater hatte immer schon die „heilige Pflicht“, als Staatstheater alles möglich zu machen, was sich der Regisseur wünscht, um seinem Auftrag gerecht zu werden. Dazu gehörte auch immer schon die Technik.
Drunter und drüber im Burgtheater unterwegs
Da sich die Wiener schon damals nur ungern mit Neuerungen abfanden, stand man dem Umzug vom alten Haus am Michaelerplatz in den neuen Prachtbau an den Ring zunächst mehr als skeptisch gegenüber. „Tout Vienne“ war zur Abschiedsvorstellung mit „Iphigenie auf Tauris“ im alten Haus gekommen und die neue Burg konnte quasi „nur verlieren“. Das tat sie denn auch, denn: Die Schauspieler waren im neuen Haus mehr als unzufrieden mit der schallenden Akustik. Man sprach gar beim Kaiser vor mit der lapidaren Bitte: „Reiß ma´s wieder ab“ – bei solch baulichen Mängel des „neuen Riesentheaters“ könne man in solch „schönem Scheusal“ nicht arbeiten, nicht spielen – so Schauspieler Hugo Thimig. „Es spricht sich wie am Meeresstrande“ bemängelte man die Akustik im Zuschauerraum, darüber konnte auch der prunkvolle barocke Innenausstattung und die Klimt´schen Deckengemälde erstmal nicht hinwegtäuschen. Dennoch: Am ersten Theaterabend gab es Tumulte, weil dann im Endeffekt halt doch jeder bei der Eröffnung dabei sein wollte. Typisch Wien eben.
An Lager- und Pausenräumen vorbei geht es dann weiter in die Kulissenräume bis unter den Parkplatz beim Landtmann, auch hier ist immer noch Burgtheater Rayon.
Übrigens: Früher ging die Technik auf der Bühne mit all den Flaschenzügen nicht gerade lautlos vonstatten. Die Herren und Damen Burgschauspieler fühlten sich von diesem prosaischen Lärm schnell in ihrem künstlerischen Tun beeinträchtigt. Außer die Wasserhydraulik, die war immer schon lautlos: Deswegen war das Burgtheater an die Hochquellwasserleitung angeschlossen und in den Tiefen des Theaters lagerten Wasserbecken, die für den Hydraulikdruck und damit für die Bewegung der Hubpodien verantwortlich waren.
Von der Unterbühne mit der supermodernen Drehhubbühne fahren wir 6 Geschoße hinauf bis 28 Meter über Null – der Bühne – auf den legendären Schnürboden, der heute natürlich vollelektronisch mit zwei Fingern bedient werden kann. Der Vorhang hat übrigens 400 Kilo, die Schnüre könnten auch immer noch per Hand bedient werden. Ich linse von oben durch die Leinen hinunter auf die Bühne hinter der Bühne: Was für ein Gefühl, hier oben am Schnürboden des Burgtheaters stehen zu dürfen.
Die frische Luft, derer man sich in der Burg rühmt, wird übrigens vom Volksgarten eingespeist – dort steht auch das raumschiffartige Ansaugding. Aber wer wie ich, öfter auf der Galerie als im Parkett sitzt, der bekommt vom frischen Grasgeruch leider nicht viel mit.
Burgtheater: Vom Schnürboden auf die Bühne
Hinter der Bühne wuselt es: Der Hauptdarsteller der Abendvorstellung „Jedermann (stirbt) “ von Ferdinand Schmalz. Markus Hering, spricht mit der Inspizientin und probt in der Jedermann-Röhre auf der Bühne. Die Tontechniker verlegen Kabel und Karl Heindl will mal schnell den Bühnenmeister begrüßen. Noch immer sind alle freundlich zu uns, die wir mitten in den Kulissen rum- und damit sicher bei der Arbeit im Weg stehen. Nie im Leben würde ich auf einer Bühne stehen wollen, aber im Hintergrund mitarbeiten dürfen – im Marketing oder in der PR – das wäre schon was für mich. Ohne die 450 Mitarbeiter an der Burg hinter den Kulissen wären auch die 65 Ensemblemitglieder vor der Kulisse nichts.
Ich stehe wenig später in den Künstlergarderoben von Markus Hering und Markus Meyer für die Abendvorstellung: Sämtliche Utensilien sind zurecht gelegt, die Kostüme hängen frisch und sauber am Haken, ohne die vielen Helferlein schafft es kein Schauspieler auf der Bühne. Heutzutage teilen sich die Schauspieler natürlich die Garderoben – je nach Vorstellung – früher gab es für die „Stars“ eigene Künstlergarderoben: Je weiter oben im Gebäude, desto wichtiger war oder fühlten sich die Schauspieler in ihrer höchsteigenen ausstaffierten Kemenate.
Heute will man sich in der Garderobe nur konzentrieren und vorbereiten, sie ist kein heiliger Ort mehr. Auch Verbeugen und sich Beklatschen Lassen darf heutzutage sein – für ersteres klebt gar ein „Verbeugungsplan“ für die heutige Vorstellung an der Bühnentür. Ich staune.
Fast ein wenig schweren Herzens nehme ich dann die kleine Türe neben dem „RUHE“ Schild am Gang neben dem Bühnenzugang: Dort geht es in die für mich gewohnten, rotplüschenen Besuchergänge beim Parkett und zur üppig goldenen Feststiege hinaus.
„Ich tret heraus aus meinem Traum“ fällt mir das Gustaf Gründgens Lied ein – und jetzt bin wieder eine ganz normale Theaterbesucherin. Zu schade.
TIPP: Normale Burgtheater Führungen gibt es täglich um 15 Uhr. Dabei werden die Feststiege und das Foyer, die Ehrengalerie und der Zuschauerraum besichtigt, je nach Probenlage darf man auch auf die Hinterbühne. Wer jemals die Chance hat, sollte an einer Führung mit Karl Heindl teilnehmen. Die Standard-Führung fand ich persönlich als Theaterliebhaberin ein wenig „zu übersichtlich“.
TIPP: Hotel-Packages und Angebote für Kultur in Wien gibt es bei den Austria Trend Hotels online.
HINWEIS: Im Rahmen meiner Zusammenarbeit mit Austria Trend Hotels wurde ich zu dieser #instawalk Führung eingeladen. Ein weiterer Artikel dazu entstand für das Blog-Magazin der Austria Trend Hotels. Entgeltliche Kooperation.
Recherche: Die Presse, Der Standard, Burgtheater Instawalk mit Karl Heindl, „Schuld ist nur das Publikum“ (Georg Markus), „Österreich intim“ (Bertha Zuckerkandl)