Ein kurzweiliger Theater-Abend im Weinviertel, musikalisch luxuriös besetzt mit Bariton Peter Edelmann als Lips und Caroline Athasianadis als Kathi.
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Premiere 2023: „Der Zerrissene“ von Johann Nestroy
Hält das Wetter oder hält es nicht? Die Prominenz ist offenbar zuversichtlich, denn sie ist doch zahlreich hier im Weinviertel vor der Stockerauer Pfarrkirche zur Premiere 2023 erschienen:
Von Peter Hofbauer, Vera Rußwurm, Toni Faber, Birgit Sarata, Gerhard Ernst zu Edith Leyrer und Birgit Machalissa u.v.m.
Intendant Christian Spatzek gibt die unverwüstliche Nestroy-Posse „Der Zerrissene“.
Die Hauptrolle des Herrn von Lips ist luxuriös besetzt mit dem Bariton Peter Edelmann (2018-2022 Intendant/Künstlerischer Leiter der Seefestspiele Mörbisch), der bei den Couplets natürlich stimmtechnisch unterfordert, aber dementsprechend äußerst hörenswert ist.
Sein Lips ist nicht so misanthropisch wie jener von Ludwig Hirsch (Volkstheater (1997) oder Karlheinz Hackl (Burgtheater 2005), aber auch nicht so großspurig wie jener des Michael Dangl (Josefstadt 2014). Sein Lips kommt gepflegt gelangweilt daher. Bei den Lips´schen Couplets hätte man noch ein paar mehr aktuelle Strophen durchaus vertragen, selbst in Stockerau.
Mein persönliches Highlight des Abends war Caro Athasianadis als Kathi, eine dankbare Rolle, die sie aber mehr als ausfüllt: Sowohl mit Bühnenpräsenz als auch mit sehr guter schauspielerischer Leistung und vor allem stimmtechnisch: Auch ihr hätte man durchaus noch ein paar Couplets oder zumindest Strophen mehr gegönnt, egal welchen Inhalts – einfach nur, um sie nochmal hören zu können. Sie hat am Konservatorium der Stadt Wien Musikalisches Unterhaltungstheater studiert und das merkt man wohlwollend.
Das durchtriebene Freundespack des Lips geben Fälbl, Suhrada und Schwarz. Claudia Rohnefeld als Madame Schleyer outriert, was die Rolle hergibt, Intendant Christian Spatzek ist ein liebenswerter Gluthammer, dem Rolle und Maske sichtlich Spaß machen. Den Krautkopf gibt Bernd Spitzer mit deutlich steirischem Einschlag und einem Hauch von Löwingerbühne.
Alles in allem ein vergnüglicher Abend à la Nestroy ohne unpassend gekünstelten Inszenierungs-Firlefanz – dafür mit akkurater Akkordeon Begleitung durch Peter Uwira, der sich dafür einen Extra Applaus verdient hat.
Aufführungen 27. Juli bis 20. August 2023, Donnerstag bis Samstag um 19:30 Uhr, Sonntag um 18:30 Uhr
Theater direkt vor der Stockerauer Kirche
Haarscharf hineingebaut auf den Kirchenplatz vor der Stockerauer Pfarrkirche sind die Zuschauertribünen mit den knapp 650 Sitzplätzen der Festspiele Stockerau. Die Kirche bestreitet einen guten Teil der Hintergrundkulisse – fast ein bisschen wie am Salzburger Domplatz beim Jedermann. Dazu kommt heuer bei „Der Zerrissene“ ein schnuckeliges Bühnenbild mit dem Haus vom Herrn von Lips, das sich wie von Zauberhand auch flott in den Pachthof des Krautkopf verwandeln lässt.
Das Bühnenbild von Manfred Waba braucht sich beileibe nicht verstecken – im Gegenteil: Die liebevoll gestaltete Kulisse – sogar mit zwei Schlupflöchern für „Kraut und Ruabn“, bzw. Gluthammer und Lips auf ihrer gegenseitigen Flucht voreinander und „dem Kriminal“ sowie die neue Drehbühne fügen sich wunderbar ins Stadtensemble vor der Kirche.
Die Anreise wird mit S-Bahn empfohlen, aber dennoch meine Weinviertler Misere: Welcher Zug fährt schon nach der Premierenfeier noch in die Richtung, in der das Auto steht? Also doch mit dem PKW – Parkplätze ab 18 Uhr in der gesamten City sind gratis, der P1 ist offiziell angeschrieben, auch der große P&R Platz beim Bahnhof ist eine gute Alternative. Sind ja keine Entfernungen.
TOP: Die Festspiele Stockerau sind barrierefrei zugänglich.
Das Catering übernimmt der Platzhirsch von Stockerau, der Dreikönigshof, sehr professionell, sowohl vor Beginn der Vorstellung als auch mit den praktischen Bestellungen für die Pause: Wenn man einfach nur von der Tribüne auf die Straße treten muss und das Tischerl mit Sekt, Spritzer und Lachsbrötchen wartet schon. Das warme Buffet der Premierenfeier verdanken wir ebenso der Familie Hopfeld.
Die Festspielweine 2023 kommen vom Weingut Hagn aus dem Mailberg Valley, vom Weingut Schmidt und vom Direder am Wagram.
Wer also auf der Suche nach einem gemütlichen, unterhaltsamen Sommertheater Abend im Weinviertel ist, bekommt bei den Festspielen Stockerau ein schönes Gesamtpaket geliefert.
Dazu passt die klassisch inszenierte Nestroy´sche Posse „Der Zerrissene“ hervorragend.
Was passiert bei Schlechtwetter mit der Vorstellung der Festspiele Stockerau?
Dank der großzügigen Sponsoren Schar in Stockerau sieht man als Zuseherin einem drohenden Regenguss relativ gelassen entgegen. Ausweiche gibt es keine. Dafür werden geich zu Beginn Sitzpölster verteilt und nach der Pause warten vorsorglich schon (ökologisch abbaubare) Regenpelerinen auf den Plätzen auf die Pausen-Rückkehrerinnen. Auch hier ist man – wie beim Catering – vorzüglich organisiert.
Seit wann gibt es die Festspiele Stockerau?
Ich war ja seit genau 20 Jahren nicht mehr bei den Festspielen Stockerau. Umso mehr hat es mich gefreut, diesmal bei Nestroy endlich mal wieder dabei sein zu können. Mein letztes Mal: „Sag beim Abschied leise Servus“ – die fiktive Story rund um Willi Forst mit Alfons Haider als Intendant und Schauspielliebling der 1930er und 1940er Jahre in Personalunion.
Die Festspiele Stockerau gibt´s aber schon weitaus länger. Seit 1963 spielt man bereits vor der Stadtpfarrkirche Stockerau Theater. Interessant: Vor Alfons Haider war 27 (!) Jahre lang der Deutsche Jürgen Wilke (1928-2016, Lebensgefährte von Helene von Damm) hier Intendant. Nach Stockerau übernahm er zunächst die Sommerspiele Perchtoldsdorf und gründete danach zum Drüberstreuen noch den den Kultursommer Laxenburg.
2018 übernahm der Schauspieler Christian Spatzek die Intendanz und gab seinen ersten Nestroy in Stockerau mit „EInen Jux will er sich machen“ (2023 übrigens genial bei den Festspielen Reichenau auf die Bühne gebracht). Der nachfolgend geplante Feydeau musste aufgrund von Corona mehrmals verschoben werden und hatte dann 2022 Premiere.
HINWEIS: Mir wurden 2 Premierenkarten zur Verfügung gestellt.