„Grado abseits der Pfade“, das Reiselesebuch von Michael Dangl über seine Herzensstadt sollte man als Grado Reisende immer im Gepäck haben. Unterwegs an das österreichische Küstenland unserer k.u.k. Vergangenheit mit Tipps von einem, der ein ganz spezielles Faible für diese Region hat – nicht zuletzt wegen Emma Auchentaller und ihrer Geschichte.
Inhaltsverzeichnis
Mein erstes Mal Grado: Am Anfang steht das Buch „Grado abseits der Pfade“.
UPDATE: Die Reihe „Abseits der Pfade“ des Braumüller Verlags wurde beim ITB BuchAward 2024 in der Kategorie „Reisebuch-Reihe“ mit dem ITB Berlin Buch Award ausgezeichnet.
Quelle: Presse Verlag Braumüller, 19. 2. 2024
Ein Ausflug mit Geschichte an die Adria. Als Grado noch bei Österreich war und man vom Grundlsee an die österreichische Küste radeln konnte.
Grado also. Wird schon einen Grund haben, warum die Wiener und Konsorten ganzjährig hier her pilgern. Wo man mit bestem Gewissen gleich nach dem Frühstück loszieht, um sich alsbald an der nächsten Ecke bei Espresso und Frizzante (in der offenen Karaffe) oder gar einem morgendlichen Aperol Sprizz in der ersten Vormittagssonne im Café wieder zu finden. Einfach nur um zu schauen. Die sprichwörtliche Gradeser Gelassenheit muss ich aber erst lernen. Ich war nie ein Ausbund an Geduld: Mich zieht es am ersten Morgen gleich Richtung Bar Manzoni am Hafen. Warum, fragen mich meine Mitreisenden, die ihre eigene Grado-Route schon seit Jahrzehnten verinnerlicht haben und in die andere Richtung davonziehen wollen.
Warum gerade dorthin? Weil ich´s gelesen hab, beim Dangl – abseits der Pfade.
Das Grado des Michael Dangl ist „abseits der Pfade“
Mit im Gepäck habe ich nämlich bei meinem Erstbesuch nicht nur Tipps für die angeblich weltbeste Pizza in Grado, dazu meinen Mann, meine best friends sowie meine Laufschuhe, sondern vor allem das Grado Buch von Schauspieler Michael Dangl, Josefstadt-Ensemble Mitglied und einer meiner Lieblingsschauspieler seit vielen Jahren.
Michael Dangl hat nämlich nicht 45 Jahre gebraucht, bis er seinen ersten Espresso – oder seine erste Limo – in Grado geschlürft hat. En contraire – er fährt bereits seit über 45 Jahren hierher, dabei ist er gar nicht mal viel älter als ich.
Das blaue Büchlein aus dem Braumüller Verlag über sein persönliches „Grado abseits der Pfade“ erscheint bereits in der 7. Auflage: Ausgedehnte Gespräche mit den Einheimischen, Lagunenfahrten mit seinem Freund und Cicerone „Drago von Grado“, Kochtipps aus seinen Lieblings-Trattorie und vor allem die höchstpersönlichen, elegisch-literarischen Einblicke mit Rilke und Biagio Marin in die Stadt an der Lagune werden gerne gelesen.
Nicht als Reiseführer per se, sondern als emotionales Zubrot für jeden Grado Liebhaber, der gerne liest. Oder für jene, die erst vom Sehnsuchtsort Grado überzeugt werden müssen.
So wie ich etwa bei meinem ersten Besuch auf der Suche nach Tipps für Grado.
Ein Spaziergang durch Grado mit Michael Dangl
Ein knappes Jahr danach treffe ich Michael Dangl bei der der Präsentation seines neuen Buchs „Im Rausch“ in Wien. Reden wir über Grado.
- „Hat sich Dein persönliches Grado für Dich verändert, seit Du Deine Tipps als Buch preisgegeben hast?“
Ja. Außerhalb der Saison, die lange Zeit meine Lieblingsgradozeit war, war ich vorher praktisch anonym dort. Das ist durch das Buch vorbei. Aber durchaus angenehm, denn ich bekomme so viel Liebe und Sympathie von den Gradesern zurück … die gleichen Emotionen, mit denen ich auch über ihre Stadt geschrieben habe.
- „Gibt es Lieblingsplätze in Grado, die Du lieber für Dich behalten hast?“
Da war ich wirklich in einem Zwiespalt zwischen dem Reisenden, der die Ruhe sucht und dem Autor, der „seine“ Insel beschreibt. Ich muss sagen: Das künstlerische Gewissen hat gewonnen. Beschrieben habe ich meine liebsten Plätze alle. Für welche allerdings mein Herz am stärksten und tatsächlich am lautesten schlägt, bleibt trotzdem mein Geheimnis.
Dangl war bislang bereits über 40 Mal in Grado – dabei waren Aufenthalte von 2 Tagen bis 6 Wochen, und zwar zu jeder Jahreszeit.
Ich habe bei meinem erstem Mal Grado nur 3 Tage, um Lagunenluft zu schnuppern. Ich will in den authentesten Bars Espresso trinken, Frühlingssonnenstrahlen erhaschen, alle Sightseeing Spots abhaken, Boot fahren und Pizza essen – nicht mehr und nicht weniger als ein durchschnittlicher Weekend-Grado Besucher.
Aber es kommt anders:
Denn schon beim ersten Morgenlauf stoße ich auf der Promenade auf die alten Fotos von annodazumals und eine Story, die mich mehr interessiert als die üblichen Sightseeing Hotspots der City: Als Grado noch ein einfaches Fischerdorf, die Promenade ein erdiger Wellenbrecher und die Gegend k.u.k. Küstenort war.
Und als die junge Familie Auchentaller von Wien über Grundlsee nach Grado kam, um der kranken Tochter die gesunde Seeluft angedeihen zu lassen und schließlich die Pension Fortino aufbaute.
Und schon bin ich wieder hineingekippt in die Recherche rund um eine altösterreichische Geschichte: Als die Wienerin Emma Auchentaller Kurgäste, Touristen und Wiener Künstler schon vor über 100 Jahren und erstmals im großen Stil in das Seebad Grado ver-führte.
Und aus Grado ein bekanntes und bevölkertes Kurbad, eine Sommerfrische und einen begehrten Sehnsuchtsort am Meer machte. Der er für viele bis heute noch ist, auch für Michael Dangl.
Mit ihrer Pension Fortino, gutem Essen, der gesunden Luft und dem Meer lockte sie also die Wiener Bohème und das damalige Who is Who nach Grado. Emma schreibt Tourismusgeschichte und deswegen sind wir alle heute hier. Vor allem ich, wie es scheint.
Kann ich denn nirgends hinfahren, ohne in die Vergangenheit schnuppern zu müssen? Aber macht nicht eigentlich das Wissen um das Gewesene einen Ort wie Grado erst so richtig admirabel? Für mich, ja.
Nach dem Morgenlauf retour beim Frühstück schlage ich gleich mal nach bei Dangl:
Ja klar, weiß er um die Auchentaller-Story, erzählt darüber in „Grado abseits der Pfade“, begibt sich auf die Suche nach deren Grabstein am hiesigen Friedhof und kennt selbstredend auch Egyd Gstättners Buch „Das Geisterschiff“: Der Kärntner Schriftsteller ist bei seinen Grado Trips ebenfalls auf die Auchentallers gestoßen und lässt den Künstler und Wiener Secessionisten Pepi Auchentaller, der immer irgendwie eine Reihe hinter Klimt und Kolo Moser stand, darin zu Wort kommen. Sein Buch habe in der „Libreria Dante“ in Grado regelrecht einen Auchentaller-Boom ausgelöst, sagt er im „Alpe Adria Magazin“.
Emma Auchentaller und das Fortino in Grado
- „Michael, Du bist auch früh auf die Auchentallers in Grado gestoßen. Ab wann war die Story auch für Dich und Dein Buch interessant?“
Ich kannte den Maler erst nur von den Werbeplakaten; dann habe ich die Ausstellung im Leopold-Museum gesehen. Durch das „Geisterschiff“-Buch habe ich die Faszination der Geschichte erfahren, und zuletzt durch die „Briefe aus Grado“ (Emma Auchentaller, hrsg. v. C. Casapiccola). Mich bewegt aber vor allem der unbekannte, „schwarze“ Teil der Geschichte. Der Niedergang, das einsame Ende des Malers. Wie es überhaupt ein dunkles Element Grados gibt, das ich in meinem Buch fast ausgelassen habe; außer im Kapitel „Winter“, da lasse ich es etwas durchscheinen.
Und damit ist denn auch mein durchgetaktetes Sightseeing Programm eines Grado-Erstbesuchers mir erst mal zur Nebensache geworden, mich interessiert ganz etwas anderes: Wie war das damals, als die Wienerin Emma ihre Pension Fortino am prominentesten Platz Grados, als Frau und Unternehmerin vor über 100 Jahren – direkt am Wellenbrecher – eröffnet hat?
Als Grado noch bei Österreich war
Im besagten Buchgeschäft in Grado werde ich sofort fündig, mein Dangl Lesebuch ist schnell in guter Gesellschaft: Ganz vorne am Büchertisch, der auch deutschsprachige Grado Literatur und Belletristik (und das nicht zu knapp) bietet, stoße ich auf die von Michael erwähnten „Briefe aus Grado“, die Emma Auchentaller zwischen 1900 und 1912 nach Hause, nach Wien und Grundlsee geschrieben hat.
Fast daneben liegt Gstättners „Geisterschiff“ und natürlich kann eine Libreria in Grado auch auf das „Abseits der Pfade“ nicht verzichten – Dangls Buch liegt selbstverständlich hier, wo ganz Wien Frühlingsurlaub zu machen scheint, ebenfalls auf.
Mit drei spannenden Büchern in der Tasche vertiefe ich mich in der Bar an der Diga (das ist der alte Name für den Wellenbrecher, der heute die glatt polierte Meerespromenade ist), in das Leben der Emma, die mit ihrem Künstlergatten im Juni 1900 erstmals nach Grado kam.
Drei Jahre später war die rastlose Frau zur hochaktiven Unternehmerin, Hotelierin und „Macherin“ von Grado geworden: Sie hat die beliebte Pension Fortino gebaut, ganz Mitteleuropa ist bei ihr zu Gast, sie hat Gründe angeschafft, eine Dampfwäscherei bauen lassen, gar eine Insel gekauft und zahllose Genehmigungen eingeholt, Thonet Möbel nach Grado bestellt, Köche getestet und wieder entlassen, eine lokale freiwillige Feuerwehr gegründet. Aber das ist nur der Anfang.
Es folgen Kaiserfeiern, Faschingsnächte, Ärztekongresse, volle Zimmer und Menschenmassen im Seebad. Schon 1903 verkündet Pepi dem Schwiegervater bedeutsam nach Wien: „Wir sind complet“, 1909 heißt es sogar „Wir sind bummvoll!“
Als Emma den anfangs noch unbekannten Künstler heiratete, war sie erst mal von ihrem Vater, einem bekannten Industriellen in Wien, enterbt worden. Als sie wusste, was sie wollte – nämlich auf Grado eine ordentliche Pension bauen – und Pepi ein bekannter Maler der Wiener Secession geworden war (aber leider gratis am Beethovenvries mitmalen musste) – erinnerte sie den Vater nachdrücklich an die Finanzsspritze: Nach anfänglichen Querelen (alles in den Briefen nachzulesen) stieg der Vater mit ein und Emma wurde zur lokalen Großunternehmerin, nicht immer zum Gefallen des Gradeser Gemeinderats und der Bevölkerung.
War ein Projekt abgeschlossen, folgte unweigerlich ein neues. Ein Garten, neue Grundstücke, eigenes Gemüse, die besten Rezepte und die sauberste Wäsche, dazu immer mehr Gäste, mehr Angestellte und noch mehr „Gschaftln“ in Grado – darunter machte es Emma nicht. Irgendwann war es zu viel: Ab 1907 brach sie immer wieder zusammen, heute lese ich aus ihren und Pepis Briefen nach Hause eindeutig ein „Burnout“ und vollkommene Überarbeitung heraus. Pepi übernahm temporär ihre Pflichten, dass er daheim in Wien als Künstler dann nicht mehr gefragt war, weil er in Grado Hotelier „spielte“, das war die Schattenseite. Er verlegte sich auf Porträt-Aufträge, aufs Plakate Malen und versorgte die Pension Fortino mit einer eigenen Corporate Identity: Logos, Sgraffiti und künstlerischen Schriftzügen.
Alles, was Rang und Namen hatte, kam in die Pension Fortino zur bekannten Gastgeberin, darunter auch die Molls (Mutter und Stiefvater von Alma Mahler) und Otto Wagner – gar ganze Ärztekongresse von „Balneologen“ wurden ausgerichtet. Man überstand Überschwemmungen, Unwetter, Streit mit dem Architekten und den Einheimischen sowie Krankheiten und Geldsorgen. In der Zwischenkriegszeit lebten Kurflair und die inzwischen bereits zahlreich gewordenen Hotels noch einmal auf. Hatte Emma eine Affaire mit einem jungen Kurarzt oder war es doch einer der Marchesini Brüder? Und was hat der Tod ihrer Tochter damit zu tun? Wir wissen es nicht, aber was wir wissen ist, dass der Wiener Secessionist Pepi Auchenthaller bis zu seinem Tod auf seinem „Geisterschiff“ an der Diga blieb, vergessen von seinen Künstlerkollegen und hadernd mit einer neuen Zeit. Und das Fortino ist heute wirklich nur noch „a schiaches Haus“ ist, wie der Autor Egyd Gstättner sagt.
Als ich am zweiten Morgen wieder an der Diga laufe und bereits soviel mehr über die Story der Auchentallers in Grado weiß als am Vortag, habe ich andere Bilder im Kopf als die glatt polierte Promenade: Eine bevölkerte, grün bewachsene Villa mit Sgraffitofries, ein Garten und eine Terrasse am prominentesten Platz von Grado, ich sehe Emma im weißen Badekleid mit ihren Kindern im Sand im Meer liegen, promenierende Kurgäste mit Schirm und Hut und ein Grado zu einer Zeit, als Österreich noch deutlich mehr Küstenorte hatte als jetzt. Und als man Stunden damit verbrachte, einfach nur bis zu den Knien im Wasser zu stehen, zu parlieren und das Klima zu genießen.
Sehnsuchtsort Grado: Sommerfrische von einst
Das berühmte Werbeplakat vom „Seebad Grado: Österreichisches Küstenland“ von anno 1906, das hat natürlich auch der Pepi Auchentaller gemalt. Wer darauf zu sehen ist? Selbstverständlich seine Emma nebst Schwester, einer verheirateten Thonet. Übrigens: 1912 verzeichnete Grado ebensoviele Kurgäste wie damals etwa auch Bad Gastein oder der Semmering. Abbazia (Opatija), Karlsbad und Marienbad hatten etwa doppelt soviel.
Ich spaziere vom ehemaligen Fortino weiter Richtung Spiaggia – und schon drängt sich mir das besagte Werbe-Plakat auf, das es mittlerweilen auch als Postkarte in den Librerie und Touristenshops gibt. Vom Ende der Lungomare habe ich einen weiten Blick über den Strand zu den Ville Bianchi, damals die Konkurrenten der Pension Fortino.
Wenn ich heute an meinen ersten Besuch in Grado zurückdenke, denke ich immer nur an diesen Abschnitt: Zwischen dem ehemaligen Fortino an der Diga, den Villa Bianchi und der Promenade am Strand entlang. Von den „Sehenswürdigkeiten“ Grados, die ich – Berufskrankheit – beim ersten Besuch „abhaken“ wolle, kommt mir heute keine mehr in den Sinn. Nur meine persönlichen Erinnerungen an ein paar besondere Momente im frühlingshaften Grado mit der Geschichte der Auchentallers im Hinterkopf.
- Mein frühmorgendlicher, fast einsamer Lauf auf dem Lungomare entlang – für mich nur noch die „Diga“.
- Vormittags Espresso trinken und lesen in der Bar Manzoni am „Cafésteig“, wie Michael Dangl die Gradeser Gehsteige vor den Bars nennt.
- Ohne Ziel auf der Riva Dandolo flanieren und die bunten Fischerboote fotografieren
- Eis essen und in den Grado-Büchern der Librerie in der FUZO schmökern
- Im Hotel Astoria mit dem Aufzug zur Dachterrasse fahren und den Blick hinunter auf die Spiaggia einfangen
- Danach die Spiaggia entlangwandern, die Villen Bianchi bewundern und eintauchen in die schönbrunngergelbe Geschichte des Seebads Grado. Mit Hut vor dem Jugendstil Werbeplakat posieren :-)
- Am späten Nachmittag an der Diga in einer Bar sitzen, in die Sonne und auf´s Meer lesen und nicht mehr weggehen. Sich vorstellen, wie genau hier vor 100 Jahren die Auchentallers beim Wassertreten zugange waren.
- Sich von den Kollegen Lifetravellerz die Pizza im Ristorante Piassalber empfehlen lassen
- Ausflug nach Aquileia – auch nicht zu verachten
Grado“Abseits der Pfade“
Heute sind 80% der Gäste in Grado aus Österreich – und zwar fast ganzjährig. Wenn ich wiederkomme nach Grado – dann brauch ich irgendwie Retro Feeling auch beim Wohnen – vielleicht in den schönbrunnergelben Ville Bianchi direkt an der Spiaggia (auch da gibt es eine interessante Story rund um die Bianchi-Schwestern), wenn schon nicht im Fortino.
Es sei denn, Michael Dangl empfiehlt mir eine andere Bleibe für mein „zweites Mal Grado“? Ja, das tut er („sehr ruhig, sehr verborgen mit einer feinen Sonnenterrasse“) – aber den behalte ich erstmal für mich, schließlich soll für mich auch was rausschauen. Doch einen speziellen Tipp hat er für WIEDERUNTERWEGS sehr wohl auf Lager, ecco:
Dragos Bootstouren sind wirklich außergewöhnlich schön und er ist ein hervorragender Cicerone für Grado und die Lagune.
Drago ist eigentlich der Nachname: Er heißt Alexander und ist in Kaisermühlen geboren, später aber hierher in die Heimat seines Vaters zurückgekommen. Er kennt alle Dörfer, Kanäle und Häfen und gibt seine Geheimtipps für seine Gäste gerne preis. Eine Tour ins Friaul, in den Karst oder mit dem Boot in die Lagune.
- Alexander DRAGO: „Der Drago von Grado“
- EMAIL: elalexander1@libero.it
- TEL: +43 677 61894884
- FACEBOOK: https://www.facebook.com/drago.vongrado
Grado ist immer schön. Halten Sie Ihre Nase in den Wind!“
Als Reisebloggerin habe ich aber immer noch eine allerletzte Frage:
- Michael, Du reist gerne. Wie aber reist ein mit Theater und Musical, Filmdrehs und Lesungen vielbeschäftigter Schauspieler?
Erstmal reise ich sooft ich kann nach Russland, weil dort meine Familie lebt. Die letzten Jahre habe ich viele Wochen im Jahr in der Lagune von Venedig, am Lido und in Venedig selbst verbracht, den Großteil meines neuen Romans „Im Rausch“ habe ich dort geschrieben. Manchmal waren meine Touren aberwitzig: Von Wien nach Venedig, von dort (über Rom!) nach St. Petersburg, dazwischen kurz nach München (wo ich den Higgins in MY FAIR LADY im Staatstheater am Gärtnerplatz spiele), zu einem Dreh oder Vorstellungen nach Wien – und, hopp, zurück nach Venedig (wo manchmal mein Hotelzimmer auf mich gewartet hat).
Ja, ich bin gern unterwegs.
(Das wollte ich hören :-), DANKE!)
Das Buch „Abseits der Pfade“ eignet sich nicht als Reiseführer per se, wie gesagt. Er eignet sich zum Schmökern, kapitelweisen Nachlesen und Nach-Fühlen – nach Rilke etwa, der Lou Andreas-Salomé verliebt in Grado Briefe schreibt. Oder zum Schwelgen in italienischen Gedichten des hiesigen Dichters Marin. Um mit ihm (dem Buch) im Café zu sitzen, es dazwischen immer wieder wegzulegen, um auf´s Meer schauen. Um es irgendwann wieder zur Hand zu nehmen und über den Pepi Auchenthaller nachzulesen oder über Grado im Winter.
Oder einfach, um sich auch mal wieder in den calli der Altstadt zu verirren. Warum verirren – nach 45 Jahren Grado Erfahrung? Weil man es will. Oder wie Michael schreibt:
„Eilen Sie nicht, verweilen Sie!“
Nachtrag: Vom Grundlsee nach Grado und retour
Einige Wochen nach meinem Erstbesuch in Grado lasse ich mich am Grundlsee vom allwissenden Grundlseer Urgestein Hermann Rastl in einer Plätte über den Grundlsee rudern. Rastl war 25 Jahre lang Tourismusdirektor im Ausseerland. Ein Traumtagerl, aber ich habe nur eine Frage: „Hermann, gibt´s die Auchentaller Villa hier am See noch?“
Mehr als diese wissende Frage unter Insidern braucht es nicht – ich bin an den Richtigen geraten: Eine ganze Plättenfahrt lang tratschen wir über Emma & Pepi, Eugenie Schwarzwald, Max Reinhardt und Hugo von Hoffmannsthal am Grundlsee. Und all die anderen bekannten Sommerfrischler, Künstler und Industriellen des Fin de Siècle, die am Grundlsee gepritschelt haben.
Denn die Villa Auchentaller, die gibt es natürlich noch, sagt Hermann. Und viele andere Villen und bekannte Namen von Sommerfrischlern, die in den alten Gästelisten der Ausseer Hotels immer wieder auftauchen: Richard Strauss, Gustav Mahler, Arthur Schnitzler und Hofmannsthal sowieso.
„Die Auchentaller Villa liegt etwas oberhalb des Sees am Waldesrand und gehört Familie Aichinger, den direkten Nachfahren der Auchentallers. Meine Eltern verkehrten noch in ihrem Haus und Pepi hat 1909 ein Porträt meiner damals dreijährigen Mutter gemalt und signiert. Einer Stelle in Emmas Briefen aus Grado ist zu entnehmen, dass Pepi mit einem gewissen Rudolf Schraml mit dem Rad nach Grado gefahren ist. Das war mein Großvater!“
Darf man irgendeine dieser Villen heute noch besichtigen? Vielleicht die so prominent liegende Villa Castiglioni direkt am See, die immer gleich ins Auge sticht?
„Ja, das ist wohl die berühmteste Villa am See, die Villa Castiglioni. Aber sie ist in Privatbesitz, ihr Besitzer war einst der Mäzen von Max Reinhardt. Nur die Villa des Burgschauspielers Ludwig Gabillon ist noch Schauplatz einer sommerlichen Veranstaltungsreihe von Adelheid Picha. Sonst sind keine der Villen mehr öffentlich zugänglich. Übrigens: Das heutige Mondi Hotel Seeblick war früher das Hotel Bellevue und wurde von der bekannten Pädagogin Eugenie Schwarzwald als Erholungsheim betrieben.“
Schwarzwald betrieb übrigens in der Josefstädter Straße einen Salon (von Adolf Loos ausgestattet, man erinnert sich meiner Loos in Pilsen Story), in der auch die umtriebigen „Kolleginnen“ Alma Mahler und Berta Zuckerkandl oder Egon Friedell und Rilke verkehrten.
Rilke, Josefstadt? Hier schließt sich mein Kreis wieder: Vom poetischen „Abseits der Pfade“ in Grado mit Michael Dangl wieder heim an „seine Josefstadt“ oder wie er schreibt:
Von der „seltsamen Insel“ Grado wieder in das Land „wo wir hingehören“.
Lese Tipps zu Grado
- „Grado. Abseits der Pfade“, Michael Dangl, Braumüller 2015
- „Das Geisterschiff. Ein Künstlerroman“, Egyd Gstättner, Picus 2013
- „Briefe aus Grado. 1900 – 1912. Emma Auchenthaller“, hrsg. von Christine Casapicola
- „Gusto auf Grado. Eine Spurensuche zwischen Villen, Geschichte und Küche“, Andreas Schwarz und Martha Brinek, Amalthea 2019
- Grado als Krimi-Schauplatz: Anita auf Reisen über Grado in der Krimiliteratur
- Einblicke zum Weiterschwelgen: Fin de Siècle zwischen Wien, Grundlsee und Grado:
- „Der Haifisch: Aufstieg und Fall des Camillo Castiglioni“, Rainhard Schlüter, Zsolnay 2015
- „Anna Sacher und ihr Hotel: Im Wien der Jahrhundertwende“, Monika Czernin, Penguin 2016
- Unterkünfte in Grado finden
11 comments
Winterferien, Sonnenschein und keine Lust auf Schnee, auf einen Ausflug aber schon.
Wenn man, so wie wir, in Slowenien zwischen Karst und Vipava-Tal lebt, überlegt man, wo man hinfahren könnte.
An die slowenische Küste, nach Portorož oder Piran?
Oder doch lieber etwas weiter weg, nach Kroatien, vielleicht Poreč oder Pula?
Aber Grado wäre doch auch mal schön, kommt einem in den Sinn. 40 km Luftlinie sind es nur, von unserem Garten aus kann man, dank der Position auf 530 ü.M., bei klarem Wetter sogar bis zur Lagune von Grado schauen.
1 Stunde 15 Minuten Autofahrt sind es trotzdem, nach Portorož aber auch fast, und nach Poreč und Pula ist es noch weiter.
Also Grado.
Da habe ich doch mal so einen interessanten Blog-Post gelesen, fällt mir ein, ich weiß auch noch wo.
Also schaue ich hier vorbei, lese, schwelge, freue mich auf den Ausflug.
49 Jahre hat es bis zum ersten Mal Grado bei mir gedauert, vorgestern waren wir da, und es war herrlich.
Menschenleer, und diese Weite des Strandes… Unsere Hündin ist frei herumgeflitzt, die Kinder haben Sandburgen gebaut und einen ganzen Eimer voller Muscheln gesammelt.
Wir sind am Strand entlang flaniert, haben die Ruhe und die gute Luft genossen und uns verliebt. In Grado!
Grado, wir kommen wieder! Außerhalb der Saison, so wie jetzt, wo Hunde nicht nur an den beiden Hundestränden erwünscht sind.
Zu Hause habe ich dann gleich nochmal hier alles gelesen. Hach, ich bin hochgradig Grado-infiziert!
Gleich geht eine Bestellung raus, alle hier genannten Bücher müssen zu mir, dann kann ich schmökern, bis es hoffentlich bald wieder heißt:
Auf nach Grado!
Danke vielmals für das Lesevergnügen und Gusto-Machen hier im Blog!
Liebe Blanka, herzlichen Dank für diese sooooo schöne Rückmeldung. Jetzt weiss ich wieder, warum ich mir die Arbeit mach mit Recherche, lesen, nachlesen, testen etc.
Und das beste: Jemand schätzt meine LESE- und Buch-TIPPS – wunderbar, ich freu mich so. You made my day! Angelika
Wir sind noch eher „junge“ Grado-Besucher, waren jetzt 5 mal dort und fahren nirgends anders mehr hin! Ich verschlinge Bücher über Grado, natürlich das von Michael Dangl, lese gerade „Gusto auf Grado“-auch ein Traum, wie die Geschichte der alten Villen beschrieben wird. Ich habe davor das Geisterschiff gelesen und auch mich fasziniert die Geschichte der Auchenthallers. Ich habe mir „Briefe aus Grado“ gekauft und habe auch alle Krimis von Andrea Nagele (den letzten noch nicht gelesen). Wir probieren immer neue Lokale aus, stehen (wie früher) stundenlang im Wasser oder spazieren die Costa Azzurra rauf und runter und sitzen am Abend in einer Bar am Hafen bei einem Spritz und schauen……..Und freuen uns beim Ankommen schon auf’s nächste mal! Der langen Rede kurzer Sinn-toller Bericht, und heuer wird mal Da Ovidio ausprobiert! Andrea
danke sehr für diese tolle rückmeldung, da weiss man für wen man schreibt! lg angelika
Liebe Angelika, auf Ihre Frage, ob ich Ihren Reiseblog über Grado schon gelesen hätte, musste ich mit nein antworten. Dann ließ es mir keine Ruhe und ich hab mir einfach die Zeit genommen. Und das war gut so. Wir, mein Mann und ich, fahren seit ca. 30 Jahren ein- bis zweimal im Jahr nach Grado. Immer für 3 – 4 Nächte und immer in dasselbe Hotel. Wir haben auch ein Lieblingsrestaurant, Da Ovidio, und kennen auch die Pizzeria Piassalber. Die Patroni waren eine Zeit lang Betreiber unseres Hotels und so war es klar, dass wir die beiden auch in ihrem Restaurant besuchen. Aber Alberto vom Da Ovidio bleibt dennoch unser Favorit. Wir sind in Grado einfach verliebt und es wird uns nie langweilig, durch die engen Gassen zu schlendern oder auf dem Lungomare, wo ein fast verfallener und überwachsener Turm mein absoluter „Liebling“ ist und den ich kaufen würde, wenn Geld keine Rolle spielte. Div. Bootsfahrten in die Lagunen oder zu dem Kloster, dessen Namen ich immer falsch schreibe, gehören auch zum Standardprogramm. Seit es eine Schiffsverbindung gibt (seit ein paar Jahren), opfern wir immer einen Tag für Triest. Für den Aperol oder einen sonst. Aperitif haben wir mehrere Stationen :)
Die Büchertipps hab ich mir ausgedruckt und werde mir wahrscheinlich Grado abseits der Pfade kaufen. Kennen Sie übrigens die Krimis von Frau Andrea Nagele ? Ich hab noch keinen gelesen, nehm es mir aber fest vor. Ich habe auch Ihre Fotos bewundert. Ich habe auch einige wirklich schöne Bilder. Was sich halt alles so ansammelt im Laufe der Jahre.
Heuer werden wir im Mai in Grado sein. – Vielleicht kreuzen sich unsere Wege ohne dass wir es ahnen :) Wir haben übrigens immer ein kleines Spiel wenn wir ankommen. Wer als erstes (mein Mann oder ich), einen Zeller trifft (wir wohnen in Zell am See), muss den anderen auf ein Getränk einladen.
So, jetzt komm ich zum Ende. Es war schön über Grado zu lesen und dabei eine gewisse Seelenverwandtschaft zu entdecken. Ich wünsche Ihnen alles Gute und noch viiiiiieeeeeeeeeeeeele schöne Reisen, wohin auch immer!
Helene Nähring
Liebe Helene, herzlichen Dank für diese so ausführliche und supernette Rückmeldung. Ich bin erst durch Michaels Buch und die Begeisterungsstürme meiner Freundin über Grado dorthingekommen, wie gesagt -es musste 45 Jahre dauern. Aber durch die Lektüre und die REcherchen hab ich ein ganz eigenes Bild von der Stadt gewonnen – das jetzt fast täglich noch bereichert wird. Von Kommentaren wir den Ihren am Blog, per Facebook oder Mails – soviele nette Rückmeldungen, übrigens auch zu Emma Auchenthaller und das find ich am allerspannendsten! lieben gruß aus dem Weinviertel. angelika
Viele Gründe, Grado bald wieder zu besuchen. Dein Bericht ist ein regelrechter Appetitmacher.
Liebe Angelika,
ganz wunderbar und ganz besonders geschrieben.
Du beschreibst Grado so wunderbar in Bildern, dass man gar nicht mehr hinfahren muss, um diesen Ort kennenzulernen oder gerade deshalb doch.
Viele Grüße
Martina
Vielen Dank meine Liebe – ich bin so froh, dass das Feeling „rübergekommen“ ist – lieben Gruß! Angelika
Habe heute ihren Reiseblog über Grado durch Zufall auf FB entdeckt und bin buchstäblich reingekippt, super! Macht Lust zum selber Recherchieren :-).
Ja, mir gings auch so. Nehmen Sie die drei erwähnten Bücher mit, lesen sie schon „vor“ und Ihnen wirds gleich ergehen wie mir… lg aus dem weinviertel, Angelika