Ein Bericht vom Anstehen um die begehrten Jedermann Stehplätze aus 2019. Mittlerweilen gibt es die Karten für die Jedermann Stehplätze am Domplatz an der ABENDKASSE.
Inhaltsverzeichnis
Am Stehplatz beim Jedermann am Salzburger Domplatz – für echte Fans
Dem reichen Mann beim Sterben zusehen und zwar stehend – das kann man machen am Domplatz bei den Salzburger Festspielen. Findet der Jedermann nämlich bei Schönwetter am Domplatz statt, können sich interessierte Theaterliebhaber (und andere) einige Stunden zuvor um Stehplatzkarten anstellen. Das ist nichts Ungewöhnliches und funktioniert auch hier in Salzburg. Man kann zu dem Stück von Hofmannsthal stehen wie man will, es grässlich, überaltert oder zu pathetisch finden – für mich persönlich ist es immer wieder etwas Besonderes, am Domplatz beim „Jedermann“ zusehen zu können. Ob Brandauer, Simonischek, Obonya, Ofczareck oder jetzt Moretti – ich fand an jeder Vorstellung etwas Besonderes und das meist mehrmals pro Festspielsaison…
Hier mein Selbsttest „Challenge Jedermann Stehplatz“ während der Salzburger Festspiele 2019. Mittlerweilen bekommt man die Stehplatzkarten für den Domplatz Jedermann an der ABENDKASSE.
Was man alles wissen muss: Am Stehplatz beim Jedermann
-Warum Stehplatz? Geht´s nicht auch anders zum Jedermann?
Klar geht´s auch anders. Sobald der Spielplan da ist, kann man etwa im November eine schriftliche oder online Bestellung an die Salzburger Festspiele richten mit Wunschtermin inkl. Angabe von Ersatzterminen. Einige Monate später bekommt man die Verständigung, ob es mit den Karten geklappt hat und wird um Zahlung gebeten. So kommt Jedermann und Jederfrau an Tickets für den Jedermann. Hab ich oft gemacht, hat manchmal geklappt.
Auf Stehplatz gehen Theaterafficionados, Spontangänger und Sparmeister. Ich war für die Marathonlesung des „Ulysses“ vorort in Salzburg und hatte mir das Anstehen um eine Stehplatzkarte fix eingeplant. Also nach der Radtour ins Waldbad Anif und einer Stärkung war dann Anstellen angesagt. Das gehörte 2019 zu meinem Kultursommer dazu: Jedermann auf Stehplatz.
-Wann muss man sich wo anstellen?
Das Standl mit den Stehplatzkarten für den Jedermann befand sich damals in der Franziskanergasse, früher war es in der Nähe des Café Dommayer (glaube ich mich zu erinnern). Vorteil der Franziskanergasse: Schattig und relativ kühl im heißen Sommer.
UPDATE 2024: Mittlerweilen gibt es die Stehplatzkarten für den Jedermann am Domplatz an der ABENDKASSE.
Und der Verkauf der Stehplatzkarten startet offiziell eine Stunde vor Vorstellungsbeginn. Meine Vorstellung war damals um 21 Uhr und ich war bereits um 17:45 vor Ort, war aber beileibe nicht die Erste. Alle nachfolgenden Wartenden bildeten dann eine Schlange, die irgendwann mal von Securites gechecked und dann in possierliche Kurven gebracht wird, sodass die Schlange der Wartenden nicht bis zum Großen Festspielhaus reiht
Man lagerte dort am Boden oder lehnte an der Wand, manche haben Liegestuhl, Campingsessel oder Picknickdecke dabei – während der Wartezeit. Die ganz Gefinkelten, die zu zweit oder zu mehreren warten, sind mit Schampus ausgestattet (was aber das WC Problem aufwirft..), um den Anlass gebührend vorfeiern zu können.
-Das Video zur Challenge: Warten, Schauen, Lauschen.
-Was passiert, wenn ich mein Ticket habe? Kann ich dann nochmal weggehen?
Als ich mein Ticket in Händen hielt, waren es immer noch gute 70 Minuten bis Vorstellungsbeginn. Diesen verbrachte ich unmittelbar vor der Absperrung zwischen Franziskanergasse und Domplatz unter den Torbögen. Natürlich kann man die eine Stunde auch wieder weggehen und zum offiziellen Einlass retour kommen, aber dann vergibt man ja die PolePosition, um die man seit zwei Stunden gerittert hat. Ich blieb also dort bei der Absperrung stehen (alle anderen auch) und wartete noch eine knappe Stunde. Einlass auf den Domplatz für Stehplatzkartenbesitzer und auch alle anderen Gäste war erst eine knappe halbe Stunde vor Beginn. Unser Taschen wurden kontrolliert – kleine Sitzhocker waren kein Problem.
Wo sind die Stehplätze beim Jedermann am Domplatz?
Beim Jedermann befinden sich die Stehplätze am Domplatz direkt rechts und links der äußeren Tribünenaufgänge. Ohne Erhöhung, man steht direkt hinter den Absperrungen zur Bühne und zu den Bühnenzugängen zum Domplatz.
Mein Tipp:
-Wie gut sieht und hört man vom Stehplatz aus?
Die Akustik fand ich persönlich sehr schlecht. Ich stand ganz rechts vorne an der Absperrung zur Tribüne. Ganz besonders genervt war ich vom ständigen Gerede zweier bayrischer offensichtlicher Jungunternehme, die mir und den anderen noch immer ins Ohr plapperten und zwar mehr als vernehmlich, als der Tod schon längst seinen (langgezogenen) Auftritt von links hatte. Weiters hatte ich den Eindruck, dass das Geschehen sich eher im linkeren Teil der Bühne abspielte. Die letzten Jahre hatte ich immer gute Sitzplätze, da ist mir das nicht so aufgefallen. Diesmal stand ich scharf rechts und hatte das Gefühl, dass sich das Meiste eher links abspielte.
-Wie kommt man dann zum Stehplatz, wenn endlich Einlass ist?
Laufen. Einfach laufen. Die anderen tun es auch. Man hat die Taschen- und Ticketkontrolle hinter sich und in diesem Moment laufen einfach alle los: Alte und junge Damen, Familien und ich auch. Jeder wollte ganz vorne bei der Absperrung stehen. Umso größer meine Enttäuschung, als ich beim Sprint ganz vorne mit dabei war und vorne an der Absperrung im Stehplatzbereich bei meinem atemlosen Eintreffen schon Menschen in der ersten Reihe standen, deren Entspanntheit darauf schließen ließ, dass sie nicht schon drei Stunden auf ein Ticket angestanden hatten. Ich erwischte also nur einen Seitenplatz Erste Reihe beim Gitter und nicht die ersehnte ganz erste Reihe.
-Soll ich lieber rechts oder links der Bühne stehen?
Auf der linken Seite (immer vom Zuschauer“Raum“ aus gesehen) kann es bei der 17 Uhr Vorstellung noch brütend heiß sein. Ich selbst war 2018 bei einer Vorstellung, die sogar mich als sitzende Zuschauerin an die hitzetechnischen Grenzen brachte, trotz Sonnenhut und Fächer. Hätte ich diese 90 Minuten eng beieinander stehend in der Sonne verbringen müssen, könnte ich diesen Artikel heute wohl nicht schreiben. Kurz: Rechts ist früher Schatten. Und den Tod beim auf die Bühne Schlurfen kann man besser von links beobachten. Rechts allerdings laufen die Schauspieler nach dem letzten Vorhang direkt an den Stehplatzmenschen vorbei hinaus Richtung Festspielhaus, um noch vor den Besuchermassen draußen zu sein. Mavie Hörbiger und Gregor Bloeb rasten bei uns vorbei, der Mammon war zu langsam und musste für Selfies posieren. Auf Jedermann und Buhlschaft dürfte das besagte eisgekühlte Taxi für den Transfer warten.
-Gibt´s eine Kleider – Etikette auch am Stehplatz für die Salzburger Festspiele?
Nein. Wer sich über drei Stunden lang anstellt und danach noch knappe zwei Stunden bei der Vorstellung steht, der sollte zu allererst an sein Wohlbefinden und das seiner Füße denken, nicht an die Festspiel Knigge. Während meines Anstehens um das Stehplatz Ticket war alles dabei, wirklich alles: Junge Damen in Cocktailkleid und Stilettos (auch sie musste sich irgendwann auf den Erdboden in der Franziskanergasse niedersetzen), Menschen in gemütlicher Hose, hitzeabhaltenden Campingkleid und Flipflops (ich), Anzug- und Dirndlmenschen, Familien more than casual, Paare in kurzer Jean und Spaghettileiberl sowie eine ältere Dame im Kostüm. Also wirklich alles ist hier möglich. So ähnlich wie bei Rigoletto im Regen in Bregenz….
Aber auch am Stehplatz kann man vereinzelt Menschen finden, die der Festspieletikette folgen. Eine Dame hinter mir packte ihre Anti-Husten-Zuckerln dezentest aus einem Taschentuch aus. Warum im Taschentuch? „Das war gestern im Festspielmagazin im TV zu sehen. Damit man beim Auspacken des Zuckerls aus dem Plastik nicht raschelt.“ Ich bin froh, dass es manche doch noch ernst nehmen und nicht alle so sinnentleert vor sich hin texten wie die Herrschaften hinter mir, die sich erst dann weniger wichtig nahmen, als endlich die ersten Worte auf der Bühne zu vernehmen waren.
Würde ich es wieder machen? Mein Fazit.
JA. Das Anstellen war nicht das Problem. Beileibe nicht. Ich habe damals noch selten so kurzweilige drei Wartestunden am Kopfsteinpflaster sitzend und stehend verbracht wie hier in Salzburg, als ich auf eine Stehplatzkarte gewartet hab. Sofern man keine Skrupel hat, sich auf den Boden zu setzen, sich anlehnen kann und genug Wasser (oder Schampus) dabei hat, kann man sich aufs Chillen konzentrieren, denn: Hier kommt in Salzburg jeder mal vorbei.
Mein Buch lag die meiste Zeit unaufgeschlagen daneben im Sonnenhut, denn es war viel spannender, das vorbeiziehende Treiben zu beobachten und vor allem in Salzburg reinzuhorchen: Glocken, Hufegeklapper, Gebelle, Klavierspiel, Fahrräder, Schauspielgetratsche (!), lärmende Touristengruppen, ziellos herumstreifende Paare im Trachtenlook – es war einfach immer was los zum Schauen und Horchen. Und das Schöne: Hier ist die Kultur bei jedem Gespräch, das ich unweigerlich belauschen musste, Thema. Allzeit Festspielgespräche – wunderbar!
Anstrengend fand ich persönlich dann das Stehen während der Vorstellung, weil man hier den anderen sehr, sehr nahe kommt und sich kaum bewegen kann – so eng stand man rund um mich. Und immer wenn ich mich – aus bandscheibenvorfallGründen bewegen wollte, hatte ich das Gefühl, jemanden hinter mir zu stören. Dazu die Hitze, die auch um 9 Uhr abends nicht vernachlässigbar war.
Nach der Vorstellung bewegte sich der Zuschauertross durch die Innenstadt, ein guter Teil Richtung Restaurant Triangel, viele aber auch zu den Würstlstandln. Ich holte mir mein Radl vom Max Reinhardt Platz und radelte durch das schnuckelige Kaiviertel und meinen geliebten Kajetanerplatz Richtung JUFA, nicht ohne Andrea Eckert ebenfalls am Fahrrad zu begegnen (ich bin zu 99% sicher).
Und dann stand endlich Abkühlung am Plan, denn in der Outdoor Bar des Jufa kann man die Füße im Gras oder Wasser abkühlen, auf die beleuchtete Festung schauen und einen oder zwei wohlfeile Spritzer genießen. Fast ein bissl schöner als in der City.
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HINWEIS: Mir wurde für die Salzburger Festspiele 2019 eine Pressekarte für die Lesung von „Ulysses“ zur Verfügung gestellt. Die Stehplatzkarte für den Jedermann habe ich selbst bezahlt und der Bericht spiegelt meine ganz persönlichen Eindrücke wider.
6 comments
Wunderbar, herzlichen Dank! Einen schönen Kultursommer wünsche ich Dir. Herzliche Grüße Susanne
Hallo Angelika,
bin grad zufällig auf Deinen wunderbaren Beitrag zu „Jedermann“ gestoßen und hab mich köstlich amüsiert! Ich hab das genau SO erlebt wie Du und würde es auch gerne wieder mal wagen.
Nun eine konkrete Frage dazu:
Wo genau ist denn die Abendkasse am Domplatz für die Stehplätze?
Ich kenne nur die „normale‘ Abendkasse im Großen Festspielhaus..
Danke für Deine Rückmeldung und sonnige Grüße aus München!
Susanne
Hi susanne, steht im artikel – dass es die stehplatzkassa nimma gibt – alles jetzt an der abendkassa, was ich weiss. Glg angelika
Danke für den tollen Beitrag. Das war echt eine Challenge. Du bist har im Nehmen.
Ich glaube ich bin zu alt für eine Stehkarte, aber ich bewundere Dich sehr…
Ich würds wieder tun – auch in Wien – wenn der Richtige auf der Bühne steht :-)