Michaelergruft Wien: Unterirdisches Sightseeing.

Von Mozarts Librettist, Mumien und Rüsselkäfern

by Angelika Mandler-Saul

Es muss nicht immer die Kapuzinergruft in Wien sein, wenn man ein wenig der vielzitierten Morbidität in Wien schnuppern will. Die Michaelergruft hat da nämlich einiges mehr zu bieten. Dort wandelt man nämlich auf Gebeinen, sieht Mumien und erhält überraschende Einblicke in Bestattungsarten im barocken Wien.

michaelergruft knochen an der wand

Die Wiener Michaelergruft: Eine unterirdische Führung zu Mumien und Gebeinen

Dr. Alexandra Rainer führt seit Jahren durch die Michaelergruft. Sie war maßgeblich an der Rettung der dort lagernden Holzssärge vor den gefräßigen Rüsselkäfern beteiligt, hat darüber Bücher publiziert und kennt mehr morbide Geschichten rund um die Gruft als so mancher Pater der Michaelerkirche. Sie wollen eine Führung durch die Gruft buchen und brauchen Infos? Die gibts hier auf der Seite der Michaelerkirche.

HINWEIS: Dieser Gastartikel erschien erstmals 2014 und wurde 2024 aktualisiert.

Särge Michaelergruft
Die Särge in der Michaelergruft

Gastartikel von Dr. Alexandra Rainer


„Der Erhalt von Grüften macht gerade heutzutage Sinn, denn Sterben wird verdrängt und findet unbemerkt in sterilen Krankenhäusern statt. Ein Besuch der Wiener Michaelergruft mit ihren Skeletten, Mumien und Särgen ist damit auch ein Impulsgeber zum Nachdenken, ein Versuch, den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren.“

– Dr. Alexandra Rainer, Die Michaelergruft in Wien – Retten, was zu retten ist, 2005

Man kann auch unterirdisch „wiederunterwegs“ sein. In die Wiener Vergangenheit reisen, indem man die Michaelergruft besucht. Dieser Friedhof befindet sich genau unter der Michaelerkirche neben der Hofburg, mitten im pulsierenden Wien der Touristen. Etwa 4000 Menschen, Hofadel und Bürgerliche, wurden von 1560 bis 1783 darin bestattet – arme Leute hingegen niemals, denn sie konnten sich die Beerdigungsgebühren nicht leisten.

bemalter sarg in der michaelergruft
wunderschöner sarg michaelergruft

Ein Friedhof unter der Stadt, das ist die Michaelergruft

Der Grund, einen Friedhof unter die Kirche zu legen ist einfach: Platzmangel in der Stadt. Sukzessive wurde daher die Gruft gegraben, bis die gesamte Kirche mit 854 Quadratmetern unterkellert war. Herren der Gruft war der Orden der Barnabiten, eng verbunden mit den Habsburgern. Hochadelige Familien wie Werdenberg, Aspremont-Lynden (noch heute in Belgien lebend) oder Trautson ruhen in luxuriösen Kupfer- oder Bleisärgen in eigenen Grüften. Vergangener Glanz, der wieder zum Vorschein kommt.

Denn die Särge wurden restauriert und im Jänner 2014 startete ein neues Projekt: Seit 200 Jahren verschlossene Grüfte wurden geöffnet und erforscht und neben einer Katzenmumie auch andere spannende Dinge entdeckt.

inschriften wände der michaelergruft
inschriften michaelergruft wien
Griffe für Särge in der MIchaelergruft
Griffe für Särge

Wir gehen auf Knochen- und Sargresten

Seit 1977 gibt es elektrisches Licht in der Gruft. Die Holz- und Metallsärge stehen museal nebeneinander gereiht. Ursprünglich sah das aber ganz anders aus: Um Platz zu sparen, wurden die Holzsärge übereinander gestapelt. War eine Gruft überfüllt, wurden die Särge samt Inhalt zerstört, darüber eine Lage aus Sand und Lehm geschüttet, so dass sich das Bodenniveau um etwa 1,5 Meter erhöhte. Das erklärt auch, warum nur noch 221 Holzsärge erhalten sind.

Die heutigen Besucher gehen genau genommen auf einer Schicht aus kaputten Särgen, Knochen- und Kleiderresten. Dazu aufgeschichtete Knochen an den Seitenwänden, das kann schon unheimlich wirken, auch auf Berühmtheiten: André Heller führte 1979 Andy Warhol hinunter, der den Friedhof mit einer Kunstinstallation der Barockzeit verwechselte. Als Warhol erkannte, wo er sich befand, nämlich „vis à vis der letzten und tiefsten Unverlogenheit“, flüchtete er aus der Gruft. Was auf Warhol so erschreckend gewirkt hat, ist jedoch nichts anderes als ein stiller, barocker Friedhof.

Schlafende Mumien und gefräßige Rüsselkäfer

Die Holzsärge sind bemalt mit Vergänglichkeits- und Auferstehungssymbolik. Sanduhren zeigen, dass die Lebenszeit verrinnt, eine verlöschende Kerze den letzten Atemzug. Manche Särge sind geöffnet. Denn durch ständigen Luftzug sind einige Tote ausgetrocknet, die teils wie schlafend wirkenden Mumien liegen genauso da wie vor 250 Jahren. Barocke Seiden- und Samtkleidung haben sich erhalten, auch Lederstiefel und Perücken.

Für die oben erwähnten Rüsselkäfer (Penthartrum huttoni) – Erstfunde in Österreich in der Michaelergruft – waren die Mumien ein Festschmaus: Die aus Neuseeland eingeschleppten Käfer lieben Wärme, Feuchtigkeit und zerfraßen nicht nur das Holz sondern gleich die ganze Mumie. Durch das Senken der Luftfeuchtigkeit und ständiges Kühlen der Gruft auf 12 bis 14 Grad konnte man der hungrigen Tierchen schließlich Herr werden. Mittlerweilen ist die Temparatur in der Michaelergruft auf etwa 15-16 Grad eingependelt und das bei 55 Prozent Luftfeuchtigkeit – alles gut, keine Rüsselkäfer mehr an der Arbeit hier unten.

sarg in der michaelergruft
Die Michaelergruft
Einsichten in einen Holzsarg

Wer sich pietätvoll auf die Toten der Michaelergruft einlässt, muss nicht erschrecken. Die Mumien sind vielmehr ein Beispiel für die gelungene Bewältigung des Sterbens, sie mahnen zu Gelassenheit. Daher wird die Michaelergruft erhalten und präsentiert, um Wiener Bestattungsgeschichte zu erzählen und etwas gegen die fast schon sprichwörtliche Verdrängung des Todes zu tun.

Noch mehr Facts: Von Metastasio bis Trautsons

Der erste Sarg, der hier gleich am Eingang der Michaelergruft ins Auge sticht, ist jener von Pietro Metastasio. Pietro Metastasio war Librettist zur Zeit Maria Theresias und arbeitete zusammen mit Salieri. Mozart verwendete Texte von ihm und gelebt hat er ganz nahe seiner Begräbnisstätte, ums Eck im Großen Michaelerhaus. Noch ein VIP hier drunten: Johann Trautson liegt im ältesten erhaltenen Sarg. Seine Namenstafel ist noch in Latein geschrieben. Sogar die Uhrzeit des Todes ist angegeben: „Nona hora post meridiem“, also 9 Uhr abends mit 79 Jahren anno 1589. Auch Maria Theresias Beichtvater Ignatius Kampmiller fand in der Priestergruft der Michaelergruft 1777 seine Ruhe. Da sein Orden kurzfristig aufgelöst war, verbrachte der Jesuit die letzten Jahre im Kloster der Barnabiten. Und auch ein Staatskanzler fand hier seine letzte Ruhe: Johann Baptist von Werdenberg liegt in seiner Familiengruft, 1648 verstorben, Staatskanzler – damit maßgeblich am politischen Geschehen beteiligt.

Tipps rund um die Michaelergruft

Rund um die Wiener Michaelergruft
Aufgeschichtete Gebeine in der Michaelergruft
Gebeine, wohlsortiert

4 comments

Stefan Noack 15. Mai 2018 - 14:45

Frau Dr. Rainer führt schon seit mehreren Jahren nicht mehr, bitte aktualisieren bzw. nachbessern

Reply
Angelika Mandler-Saul 15. Mai 2018 - 21:15

Deswegen steht im Artikel auch seit jeher und seit der Publikation desselben „hat geleitet“.

Reply
alex 4. November 2016 - 20:56

Muß mir umbedingt ansehen, lztes Jahr war ich mal im Palermo in die Cappucinergruft SEHR SEHENSWERT

Reply
andreas 2. Mai 2014 - 21:24

Ich war auch mal mit dabei. Echt groovy. Ein Erlebnis.

Reply

Leave a Comment

* By using this form you agree with the storage and handling of your data by this website.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Auch diese Website verwendet Cookies – nähere Informationen dazu und zu Ihren Rechten als Benutzer finden Sie in unserer Datenschutzerklärung am Ende der Seite. Klicken Sie auf „Geht klar“, um Cookies zu akzeptieren und die Website besuchen zu können. Geht klar. WEITER