Milch & Honig Wiener Neustadt: Ein Festival wie im Schlaraffenland

Wr. Neustadt geht gewagte kulturelle Wege

by Angelika Mandler-Saul

AVISO April/Mai 2024: Mit den Augen lauschen und den Ohren schauen: Das ist das geniale, innovative Kultur-Event Milch & Honig in Wiener Neustadt. Ein Bericht und eine Vorschau 2024.

Der kleine Prinz kasematten milch und honig festival
Das erste von acht Events: „Der kleine Prinz“ in den Kasematten

Milch und Honig Wr. Neustadt: Ein Kulturfestival für alle Sinne

Programm von milch und honig in wr. neustadt kasematten
Milch und Honig in den Kasematten

„Was, wenn ein Konzert nicht mehr bloß ein Konzert ist, sondern wenn wir die Musik mit weiteren „Zutaten“ wie Malerei, Videokunst, Tanz, Poesie, Sandanimation oder auch Finsternis und Meditation verschmelzen?“

Diese gar nicht so theoretische Frage stellt sich und uns das neue Kultur-Festival „Milch & Honig“, das ab 14. April 2023 in Wr. Neustadt erstmals über die Bühnen ging.

Ein gewagtes Unterfangen nicht nur für Veranstalter und Publikum, sondern auch für Wr. Neustadt, das sich seit Austragung der NÖ Landesausstellung 2019 „Welt in Bewegung“ jetzt endlich auch einen Platz als Kultur- oder sogar Urlaubsdestination sichern will.

Das mit der Kultur dürfte auf Schiene sein, nicht erst seit Milch & Honig, denn das Kulturprogrammangebot dort kann sich bereits wirklich sehen lassen!

AVISO: Milch und Honig gibt´s auch 2024.

Ab 12. APril 2024 heißt es in Wr. Neustadt wieder: Es fließen Kulturerlebnisse in Form von Milch und Honig. Die Sandkünstlerin (ein once in a lifetime Erlebnis not to be missed) wird mit „Der Sand der Zeit“ am 26.4.2024 wieder dabei sein und zu den Worten von Andrea Eckert ihre atemberaubende Kunstfertigkeit demonstrieren. Der Intendant Christoph Zimper prasentiert auch in Saison 2 seines Festivals außergewöhnliche Erlebnisse für Augen, Ohren und vor allem die Seele. Das ganze Programm inklusive „Kuahkonzert“ und „Sie wünschen, wir spielen“ gibts hier schon online auf der Website. Ich hoffe, wieder dabei sein zu können…

Rückblick 2023: Milch & Honig startete am 14. April 2023

„Innovativ“ nennt sich das Kulturformat auf der Website der Kasematten Wr. Neustadt, wo auch der Opener des ganzen Events seine Bühne findet: „Der kleine Prinz“ – so stand es am Programmzettel.

Was wir zu sehen, hören und zu bestaunen bekamen, war aber vielmehr als der Klassiker von Saint-Exupéry, mit dem wir im Gymnasium auf deutsch und französisch behelligt wurden: „Behelligt“ deswegen, weil man als 15 Jährige oder Jüngere mit dem Gerede des vermeintlich kleinen Prinzen wenig anfangen kann. Das sieht man als Erwachsene naturgemäß dann ein bissl anders und irgendwann im Leben kann man mit jedem der Prinzen-Sager dann auch wirklich was anfangen.

So geschehen auch beim „Prinzen-Wochenende“ in Wr. Neustadt beim Eröffnungs-Weekend in den Kasematten von Wr. Neustadt.

der kleine prinz milch und honig wr. neustadt
Der berühmteste Spruch

Der Kurier Journalist Guido Tartarotti bringt seine höchstpersönliche Meinung wie folgt auf den Punkt: „Ich gehöre ja zu den wenigen Menschen, die es wagen, zuzugeben, dass sie den „Kleinen Prinzen“ mit seinen ranzigen Hippie-Weisheiten einfach fürchterlich finden. Ich musste das Buch zwei Mal in der Schule lesen, einmal auf Deutsch, einmal auf Französisch, und noch mehr als der unangenehme Klugscheißer gingen mir meine Lehrerinnen auf die Nerven, die vor lauter Rührung immer ganz fest schlucken mussten.“

(Quelle: Kurier.at)

Wenn er erlebt hätte, was ich am Eröffnungswochenende bei Milch & Honig gesehen habe, dann würde er vielleicht diese seine Meinung zumindest ansatzweise überdenken.

Zweifellos ist es kein Kinderbuch, spätestens jetzt mit 51 und nach dieser Performance ist mir das wirklich klar geworden.

Zuhören und nicht mehr wegschauen können: „Der kleine Prinz“ in den Kasematten

In den Kasematten Wr. Neustadt klingt das aus dem Munde des künstlerischen Intendants Christoph Zimper bei der Begrüßung seiner erwartungsvollen Premierengäste etwa so: „Wir präsentieren heute ein sehr komplexes Gesamtkunstwerk… mit einer Message, die uns allen am Herzen liegt“, startet er seinen künstlerischen Milch & Honig Reigen der kommenden Wochen. Und wird auch persönlich: Dort in Guatemala, wo Saint-Exupéry seinen Flieger-Absturz hatte und sich danach am See Cerro de Oro erholt haben und dabei den Prinzen erdacht haben soll, habe auch er ein inspirierendes Erlebnis gehabt. Ein Zeichen quasi. Noch dazu ist vor fast genau 80 Jahren das Buch in New York erschienen. Alles passt zusammen an diesem Premierenabend in der Neuen Bastei der Kasematten.

Aber auch sonst dürfte Klarinettist und musikalisch-kreatives Multitalent Zimper eine Affinität zu dem kleinen Protagonisten mit den klugen Sprüchen haben, denn – wie wir mittlerweilen von ihm selbst aus Social Media wissen – verfügt er sogar über eine entsprechende Tätowierung (Stichwort: Boa, die den Elefanten verdaut). Nein.das.ist.kein.Hut.

milch und honig wr. neustadt events
Das ist kein Hut.

Das Programm des Festivals ist gewagt, unkonventionell, unerwartet, innovativ, spannend, ganzheitlich, aber auch verlockend anders. Aber jetzt wollen wir erstmal sehen, was hier aus der Geschichte vom kleinen Prinzen geworden ist:

„Die Komfortzone dehnen“ sollen wir Besucher:innen, so nennt es Zimper nach der gelungenen und begeistert beklatschten Vorstellung – für mich bedeutet das: Keine Josefstadt, keine Burg, kein Musical – sondern ganz was andres.

Die einzelnen Kapitel von „Der kleine Prinz“ wurden von Zimper, Nina Kazourian, Alex Wienand, Marie Spaemann und Florian Willeitner vertont und auch gespielt. Zimpers Schwester Daniela Knaller und Nichte Nora Knaller sind für die Texte da, die Musiker:innen spielen und singen.

Und dann ist da noch eine Dame im Hintergrund.

Und die große Projektionsfläche auf der Bühne an der Wand hinter den Künstler:innen.

Und dann startet die Sandchoreografie – passend zu Musik, Gesang und Texten.

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Der Pilot, der kleine Prinz und seine Rose; Die Hand der Künstlerin fährt über das Bild

Die Zeichnungen von Saint Exupéry und die Sand Choreografien von Anna Vidyaykina

künstlerin anna Vidyaykina milch und honig festival

„Sandanimation“ steht im Programm, oder auch „Sandkunst“. Nie gehört. Ich brauche auch ein paar Momente, bis ich verstehe, was da vorne auf der Bühne – zusätzlich zur Musik, zum Gesang und den Textpassagen – abgeht.

Auf der Leinwand tut sich nämlich was. Kunstfertige und anmutige Hände machen aus dem zunächste statischen Begrüßungstext immer neue Formen und Figuren: Plötzlich ist da ein Hut.

Nein, wir Leserinnen wissen natürlich: Es ist kein Hut, was Saint-Exupéry oder sein Alter-Ego da damals illustriert hat – vielmehr ist es eine Boa, die einen Elefanten verschlungen hat. Aber hier ist es keine Zeichnung. Es ist und wird und verändert sich dauernd: Es ist Sand. Sand, der geschüttet, geschoben, verstrichen, geformt und gerieselt wird. Passend zur Musik, zum Text und zum Verwechseln ähnlich mit den originalen Illustrierungen im Buch.

künstlerin anna Vidyaykina milch und honig festival
Der Planet des kleinen Prinzen

Anna Vidyaykina steht hinter den Künstler:innen auf der Bühne an ihrem kleinen Pult und formt den Sand sekündlich zu immer neuen Kunstwerken. Man kann nicht wegschauen und will auch nicht. Zu anmutig, beeindruckend und genial sind ihre Bewegungen und das, was daraus immer wieder neu entsteht.

Kaum hat man sich an den kleinen Planeten gewöhnt, wird er zur Rose mit den nur vier Dornen. Oder zum Fuchs, der gezähmt werden will oder zum schlafenden Flugzeugpiloten oder zur Wüste oder zum Schaf. Soviele Kunstwerke hintereinander und eines vergänglicher als das andere: Unglaublich, wie Anna jede Szene und jede Nuance des gelesenen Textes mit ihrer Sand-Choreografie sichtbar macht.

Wir können alle nicht wegschauen – ob noch andere auf´s Atmen vergessen, so wie ich? So eine beeindruckende Animation ganz ohne Computer hab ich noch nie gesehen.

sandbild von künstlerin anna Vidyaykina milch und honig festival
Vergängliche Sandanimations-Bilder. The End.

Ein Konzert im Zappendustern

Tag 2 des Milch & Honig Festivals hat wieder etwas ganz Besonderes auf Lager: Ein Streichkonzert in der Dunkelheit. Aber nicht nur ein bisserl dunkel oder abgedunkelt oder mit Notlicht, sondern: In der absoluten Finsternis, im Zappendustern wird vom Vision String Quartet (Florian Willeitner, Daniel Stoll, Sander Stuart und Leonard Disselhorst) Bloch, Schostakowitsch und Ravel gegeben.

milch und honig im finsteren konzert
Da wars noch nicht dunkel. Beim Einnehmen der Plätze im Mäx.

Im Jugend-Eventlokal Mäx, das sich mit Events im Dunklen sicher ganz gut auskennt. Hier aber gibt es für die Grown Up´s ein paar Spielregeln, wie Zimper wiederum bei der Begrüßung erklärt. Was ich schon vermutet hatte: Nicht jeder unter uns Zuhörer:innen wird mit der absoluten Finsternis die ganze Stunde lang problemlos zurecht kommen.

Und so war es denn auch. Mit Nachtsichtgerät rückt die Security in ganz kurzen Musikpausen einige Male aus, um jemanden aus dem Publikum sicher durch die Dunkelheit hinaus zu führen. Es wundert mich nicht: Über eine Stunde ist man mit der bombastischen Musik und seinen Gedanken alleine. Man sieht nicht den Nachbarn, nicht die Hand vor Augen, kein einziges Lamperl und keine auch noch so winzige LED eines Smartphones. Dafür hört und spürt man umso mehr.

Wer während des Konzerts die Augen schließt, mag sich ein wenig drübertäuschen lassen, aber sobald man die Augen öffnet und noch immer absolut nichts sieht – da kann es einen schon einmal kurzfristig sehr heiß überkommen.

Wann weiß man, dass es aus ist (als Nicht-Musikkennerin etwa)? Wenn der Chef hinten zu klatschen beginnt – dankenswerterweise. Standing Ovations ab der ersten Sekunde des Notlichts. Und endlich sieht man auch, wer für uns gespielt hat: Vier Männer, vier Instrumente, ohne Licht, ohne Noten, ohne gegenseitige Einsätze, ohne Blickkontakte, ohne Sicht auf ihren „Arbeitsplatz“ oder das Publikum. Eine unpackbare Leistung der Künstler. Aber auch des Publikums, wie ich jetzt weiß. Denn darauf muss man sich erstmal einlassen können.

Hat ja im Salzburger Landestheater 1972 beim „Notlicht-Skandal“ rund um Bernhards „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ nicht so gut geklappt, wie wir wissen…

concert in the dark milch und honig
3 Sekunden Belichtung. Aber dann heißt es: Alle Smartphones OFF. Oder abgeben.

Weekend Packages in Wr. Neustadt

prinzen weekend milch und honig
Welcome beim Prinzen Weekend

Rund um das Festival hat man in Wr. Neustadt drei Weekend-Packages geschnürt, die sich um die 8 wirklich innovativen Kulturevents ranken.

Ich war 2023 beim „Prinzen-Weekend“ mit dabei: Inklusive „Der kleine Prinz“ in den Kasematten, dem „Concert in the dark“ im Mäx, einer Hotelnächtigung im Hilton Garden Inn und einer Stadtführung. Ein kleines Präsent – die Sprüche des Prinzen auf Karten – gab es als Draufgabe und Souvenir.

Je nach Kulturevent wurden Erlebnispackages mit Nächtigung in verschiedenen Hotelkategorien und Zusatzprogramm geschnürt.

Jedes einzelne Event des gesamten Programms ist aber so etwas Besonderes und mit soviel Liebe, Einfallsreichtum, Mut und Rafinesse kuratiert, dass man natürlich auch jedes extra buchen kann und soll.


Die Kultur-Packages von Milch & Honi 2023g
  • Für alle Konzerte/Konzertformate kann man online unter www.webshop-wn.at Tickets kaufen
  • Übernachtungspackage „Prinzen-Wochenende“
  • Übernachtungspackage „Sound & Vision Healing“: 2023 – mit Waldbaden, einem „Flow in the Dark“, Yoga & Journaling, einem Mozart Konzert „im Liegen“ und einer Performance in den Kasematten zu Bac
  • Übernachtungspackage „Kaiser-Wochenende“ 2023 – mit Schubert-Konzert mit Stargeiger und Songwriter, einem Silent-Concert mit der Familie (TIPP!) und einem Tagesausflug an den Semmering zum Südbahnhotel und ins Looshaus am Kreuzberg zur geführten Semmering Kultur-Tour
  • IG Reel Link von Milch & Honig für einen kleinen Einblick

Wer steckt hinter Milch & Honig in Wiener Neustadt?

Der Klarinettist Christoph Zimper stammt aus dem Bezirk Wr. Neustadt. Er ist Solist, Kammermusiker und Professor für Klarinette an der Uni für Musik und darstellende Kunst in Wien, Komponist, Lehrer, ehemaliger Soloklarinettist im Mozarteum Orchester Salzburg, künstlerischer Leiter des Weissensee-Klassik-Festivals. Er spielte u.a. im Staatsopernorchester, in der Volksoper, in der Staatskapelle Dresden.

Zimper hat Milch & Honig als dieses „Musikfestival für innovative Konzertformate“ erdacht, initiiert und auf die Beine gestellt. Mit 60 Künstler:innen, die man teils auch bei großen internationalen Events zu sehen und hören bekommt (dort aber nicht so wohlfeil wie hier in Wr. Neustadt).

Die Zugabe.

Weiterlesen: Wiener Neustadt macht sich.


HINWEIS: Ich wurde als Reisebloggerin zum Prinzen-Weekend für eine Nacht eingeladen, um den beiden og. Performances beiwohnen und darüber berichten zu können.

2 comments

Milch & Honig Festival: Ein Kulturwochenende in Wiener Neustadt 19. Juni 2023 - 15:18

[…] vom Blog Wiederunterwegs war am ersten Wochenende vor Ort und beschreibt, wie es ist, einem Konzert im Dunklen zu […]

Reply
andreas 12. Mai 2023 - 10:10

Den Sand sekündlich zu neuen Kunstwerken formen. Das muss sehr beeindruckend gewesen sein.

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