Schon bei meinem ersten Besuch als Radlerin am Innradweg war ich vom Blick auf das Kloster Reichersberg beim Eintreten durch die mächtige Klosterpforte ordentlich beeindruckt. Diesmal hatte ich mehr Muße mitgebracht. Aber nicht mehr Zeit.
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Ein ganz besonderer Ort: Stift Reichersberg
Auch diesmal wird es für mich nur eine Stippvisite im oberösterreichischen Stift Reichersberg nahe Bayern, aber wenigstens bin ich diesmal nicht bis auf die Haut durchnässt. Denn bei meinem ersten Besuch hier hatte mich das Hochwasser vom Innradweg quasi weggeschwappt, sodass der damalige Probst hochpersönlich mich und mein Fahrrad mit dem Bus in Bayern aufgabelte und nach Reichersberg rüber-rettete.
Schon damals habe ich eine sehr private Führung durch das gesamte Schloss erhalten. Diesmal bin ich allerdings vollkommen trocken, als wir von Stiftsadjutor in seinem Arbeitszimmer mit sehr viel Aussicht auf die Inn-Auen höchst gastfreundlich empfangen werden.
Gastfreundlich, aber mit einem wehmütigen und traurigen Auge. In der Nacht ist Prälat Eberhard Vollnhofer verstorben, er war 25 Jahre lang Probst im Stift Reichersberg. Deswegen herrscht hier auch ein wenig trauriger Aufruhr, als wir das Stift besichtigen. Der aktuelle Probst ist jung und charismatisch. Das muss er wohl auch sein, denn die Leitung eines solchen Kloster Apparats ist genauso aufwändig wie die Arbeit eines CEO. Deshalb gibt es hier die Position eines Wirtschaftsdirektors, der quasi als Verbindungsoffizier für alle wirtschaftlichen Angelegenheiten zum Konvent fungiert.
Hinter den Kulissen des Klosters Reichersberg: Eine „Priester-WG“?
Seit mehr als 900 Jahren wirken hier in Reichersberg bereits die Augustiner Chorherren. Heutzutage sind sie für Seelsorge zuständig und dafür, das der riesige „Kasten“ Kloster am Leben erhalten bleibt. Nicht nur, was die Chorherren und den Nachwuchs betrifft, sondern auch bezüglich Renovierungen, Instandsetzungen, Landwirtschaft, Tagungen und Kurse aller Art. Dazu hat man sich besonders breit aufgestellt mit dem Angebot „Mit Freude leben“.
Die 36 Zimmer im Stift haben Drei Stern Status, der Klosterladen ist extrem gut sortiert und hat einige Schmankerln (auch flüssig) auf Lager und das Veranstaltungs- und Bildungszentrum für Hochzeiten, Kongresse, Feiern, Klausuren und Workshops aller Art will auch gewinnbringend geführt sein.
Aber die eigentliche Aufgabe der Chorherren, die Seelsorge, wie kann man sich das heutzutage vorstellen, wenn keiner mehr reden will und die meisten sich Hilfe im Internet suchen? „Wir gehen auf die Menschen zu“, erklärt uns der Chorherr, der die kunstgeschichtliche Führung durch die Pretiosen des Stifts übernommen hat. „Wir können nicht warten, dass jemand zu uns kommt. Wir gehen zu und nehmen Anteil am täglichen Leben.“
Das merkt man auch, dass hier drin keine Parallelwelt herrscht: Alle sind per Du, bei der gesungenen Mittagshore läutet schon mal bei einem Chorherren das Handy in der Tasche und ein anderer findet die richtige Stelle beim Mitsingen nicht. Alles wie im wirklichen Leben. 18 Chorherren im Alter von 25 bis 95 Jahren leben hier, davon nur 9 im Stift – die restlichen sind quasi außerhalb bei der Arbeit, auch etwa als Militärseelsorger. „Wir Chorherren lachen und feiern gerne“, hören wir auch bei der Führung, Probst Markus benennt das gemeinsame Leben anders – er ist ja auch jünger: „Wir sind eine Priester-WG“. Das gefällt mir ausnehmend gut. „Mit Freude leben“ eben – das ist zu Recht der Leitspruch.
Ein Tag im Augustiner Chorherrenstift Reichersberg
- Stiftsführungen: Mittwoch und Sonntag um 15 Uhr durch Kirche, Sakristei, Kreuzgang, Bibliothek und Sommerrefektorium
- Klosterladen: Hier findet man immer ein Mitbringsel. Immer.
- Vinothek: Produktkatalog
- AKTUELL 2019: Die Gartentage am 25. und 26. Mai
- FESTMUSIK: Zahlreiche Musikevents im Stift das ganze Jahr über.
- KURSE und SEMINARE: Möbelrestaurierung, Keramikmalen, Buchbinden. Oder etwa auch „Lass los, was Dich krank und unglücklich macht“.
- Das Stift hat eine hervorragende Website, die zu besuchen sich lohnt. WEB: Stift Reichersberg online
- Einen ausführlichen Besucherbericht über das Stift Reichersberg gibt es auch hier
Übernachten: Radfahrer und Pilger willkommen!
Ja, das kann ich bestätigen – Radfahrer waren damals reichlich hier, die ebenfalls wie ich vor dem Hochwasser ins Kloster geflüchtet waren. Reichersberg liegt ja nicht nur am Innradweg, sondern auch am Römerradweg R6 und auch am Pilgerweg VIE NOVA. (Bett & Bike Partner) Mein damaliges Zimmer war übrigens das größte und schönste, das ich je in einem Kloster bezogen hatte. Und: Ich hatte es mir auch verdient. Wahrlich.
Genießen und Kosten: „Stiftsgeheimnis“ Reichersberg
Zwei Winzer und 18ha Weingärten in Deutschkreutz – so entstehen die Weine und der Klostersekt der Chorherren, die im Klosterladen verkauft werden. Nach alten Klosterrezepten werden auch Liköre und Schnäpse hergestellt. „Wie´s Innviertel schmeckt“, kann man also auch im Stift Reichersberg erfahren. Als wir vorort sind, ist (leider) Freitag, deshalb gibt es quasi Fastenspeise: Eine ordentliche Suppe und als Hauptgang g´scheide Topfenpalatschinken. Die Köchin, die ansonsten nur für die Chorherren kocht, versorgt uns heute als Gäste noch mit dazu.
TIPP: Gleich neben dem Kloster im Hofrichterhaus befindet sich eine Kaffeerösterei mit Schauraum. Hier gibt es den magenschonenden grünen Kaffee – für Vieltrinker wie mich, die gerne auf ihre Magenweh verzichten wollen. Äthiopischer Kaffee von Addis Abeba bis nach Reichersberg. LINK: https://www.habeshawitcoffee.com/
Im Innviertel dreht es sich nämlich oft und gerne um´s Essen und Trinken. 11 Privatbrauereien (Bierregion Innviertel) gibt es hier und bei der aktuellen Ausgabe der TV Sendung „9 Plätze – 9 Schätze“ ist das Innviertel mit seinem berühmten „Surspeck-Knödel“, dem „weißen Gold“, bereits Bundeslandsieger für Oberösterreich geworden.
Video rund um meinen Besuch
Eine Nacht im Stift St. Florian
Auszeit im Kloster St. Lambrecht
Bei den Mönchen von Heiligenkreuz
HINWEIS: Dieser Artikel entstand in entgeltlicher Kooperation mit Klösterreich.