Das konnte ich mir nicht entgehen lassen: 23 Gemeinden im Salzkammergut sind Kulturhauptstadt Europas 2024 und in Bad Ischl steigt die Eröffnung. Ich war dabei.
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In medias res: Wie war die Eröffnung in Bad Ischl zur Kulturhauptstadt 2024?
Kalt, sehr kalt. Aber ich stand nur (freiwillig) zwei Stunden auf blankem Eis im Kurpark Bad Ischl. Die Künstler:innen rund um Doris Uhlich waren bei ihrem berühmten, in den letzten Jahren immer wieder nachgebesserten Pudertanz ganz nackt auf der Bühne zugange, und das bei minus 6 Grad. Schon allein deswegen schlug ihnen aus dem bass staunenden Publikum mehr als Respekt, gepaart mit Begeisterung entgegen. Wenigstens sie konnten sich bewegen, wir Zuschauer:innen im proppevollen Kurpark standen eng aneinandergedrängt am Schnee und Eis, ich persönlich hatte den Großteil der Zeit die Zipfelmützenquaste der vor mir Stehenden im Gesicht.
Aber das war es mir wert: Ich war dabei, als die Lichtmenschen von Isa Stein mit ihren schweren Kostümen – wie olympisches Feuer – die Bühne betraten, die 23 Bläser:innen der 23 Kulturhauptstadt Gemeinden unter dem großartigen Komponisten und Dirigenten Leonhard Paul (Mnozil Brass) die Festfanfaren anstimmten und die Schüler:innen aus der Modeschule ihre monströsen Kleiderkompositionen zum Thema Tracht aus Papier präsentierten. Meine Begeisterung für die entweder abgelesenen (mit vielen Fallfehlern) oder Gemeinplatz-artigen Reden der Politiker:innen war enden wollend. Die vier Frauen, inkl. Intendantin Elisabeth Schweeger, die stellvertretend für das ganze Orga-Team sprachen, hatten jedoch meine volle Sympathie: Die Zukunft gehöre „dem ländlichen Raum und den Frauen„, so ihre Parole, bevor sie das Kulturhauptstadt Jahr für Bad Ischl und das Salzkammergut eröffneten. Da sprachen mir die Damen aus der Seele.
Die Moderatorin Mercedes Echerer durfte leider nach der Anmoderation der Eröffnung nicht weiter sprechen und sich auch nicht verabschieden: Es folgten die einzelnen Kunst-Darbietungen ohne Moderation oder Erklärung der Künstler:innen oder gar der Zusammenhänge. Das ist schade, so ging sehr viel Info verloren, die man am TV Gerät daheim sehr wohl mitgeliefert bekam.
Neben mir standen hunderte hochmotivierrte Sänger:innen aus dem Salzkammergut, die eigens angereist waren, um mitzujodeln und mitzusingen – beim Chor der Tausend rund um Hubert von Goisern. Dass er nicht nur in die Welt hinaus jodelte, sondern parallel dazu auch beeindruckend ein Theremin bediente (lt. Wikipedia „wird dieses Instrument durch den Abstand beider Hände zu zwei Antennen berührungsfrei gespielt, wobei eine Hand die Tonhöhe, die andere die Lautstärke verändert„), wäre nur eine von vielen spannenden Infos während der Performances gewesen. Und dass die 23 riesigen, von Hand bewegten Papiervögel, die über die Bühne flogen, auch was mit dem im Salzkammergut einst hochwichtigen Brauch des Vogelfangs zu tun hatte, erfuhr man auch nur aus der ORF Moderation im TV. Die Stimmung der Einheimischen rund um mich war jedenfalls höchst positiv: Dass Tom Neuwirth zwischen seinen Songs im Dialekt plauschte, kam gut an. Die Eröffnung wurde auf großen Screens in ganz Ischl übertragen, selbstverständlich auch in Gebärdensprache.
Der einzige, öffentliche Ausgang des Event-Areals war leider nur geschätzte 3 Meter breit, wahrscheinlich um beim Rausgehen die Zuschauer:innen zählen zu können: 5.500 Menschen sollen lt. APA im Kurpark Bad Ischl bei dem Event dabei gewesen sein. Und die meisten wollten danach nur eins: Sich „wo reinsetzen und was Warmes trinken“.
Bad Ischl ist Kulturhauptstadt
Ich weiß nicht, wieviele Runden durch Bad Ischl ich am Eröffnungs Weekend gedreht habe: Es begann mit der Pressekonferenz am Donnerstag abend, ging über die Presse-Führungen am Freitag bis hin zum eigentlichen Eröffnungstag, dem 20. Jänner 2024 mit dem Event im Kurpark Bad Ischl. Die Performances im Zweitwohnsitz (Mieze Medusa, die Stadtschreiberin) und im Kuchltheater waren leider sehr schnell wegen Überfüllung geschlossen.
Nach der Zeremonie im Kurpark mit Goisern und Konsorten ging es für mich noch zum Konzert von Clara Luzia bei der Nestroy Schule (eisigkalt – Open Air Bühne) und zur Wüdaramusi in den Pfarrsaal: Die wiederum hatten es mollig warm, es wurde dort gejauchzt, getanzt und getrunken. Als man seitens der Musiker:innen die trockene Luft auf der Bühne beanstandete (jeder aus dem Weinviertel weiß sofort, was damit gemeint ist), kam niemand geringerer als der Herr Kapellmeister der Festfanfaren des großen Eröffnungsevents hiimself und brachte Bier und Spritzer zu den trockenen Kehlen: Prof. Leonhard Paul, seines Zeichens Posaunist bei Mnozil Brass – aber auch Leiter des Joseph Haydn Instituts für Kammermusik, Substitut bei den Wiener Symphonikern, Mitglied im Volksopernorchester und bei den VBW usw. ließ sich nicht lange bitten und war in Nullkommanix auf der Bühne. Bei „Heit gibts a Rehragout“ war er schon mit Instrument und Stimme mit von der launigen Partie.
Meine Highlights: „kultur salzt los“
- Die Hauptausstellung zur Kulturhauptstadt befindet sich im Sudhaus. Der Kurator Gottfried Hattinger führte mich allein persönlich durch die neue, alte Location. Dort wo 400 Jahre lang Salz gekocht wurde, geht es um Kunst aus Salz und Wasser – beides braucht unser Körper zum Überleben. Ein Kanu aus Magnesium, Zähne aus Salz, die „Aurora“ aus Brot auf Salzsteinen und 6 Tonnen Salz (danke an die Salinen :-) für ein beeindruckendes Salz-Mosaik. Man staunt und denkt nach.
- Das Begleitbuch zur Kulturhauptstadt von Julia Kospach: „Salz Seen Land“ – ich war bei der Präsentation, moderiert von Günter Kaindlsdorfer. Spotted: Mitautor:innen Elfie Semotan, Helga Rabl-Stadler, Barbara Frischmuth, Hubert von Goisern uvm.
- Das Lehár Theater, das langsam verfallende Kurtheater, in dem Publikumslieblinge wie Alexander Girardi, Alexander Moissi, Hansi Niese, Josef Jarno auf Sommerfrische auf der Bühne gestanden sind – wird im Zuge der Kulturhauptstadt ENDLICH renoviert! Ich war drin.
- Bis dahin findet sich dort die Location für die Klanginstallation Ballet Mécanique. Der Grazer Komponist Winfried Ritsch erklärte uns persönlich, wie er sein Maschinenorchester zum gleichnamigen Film aus 1924 von Fernand Léger perfekt programmierte und synchronisierte. Diesmal wird es keinen Skandal geben wie vor 100 Jahren in Paris, als nix zusammenpasste. Laut, stark, genial, avantgardistisch im passenden Ambiente des verfallenden Lehár Theaters.
- Der Glögglwaggon fuhr aus Attnang Puchheim kommend, bimmelnd und klirrend in Bad Ischl ein. Offizielle Betitelung: Eine kinetische Klangskulptur auf Schienen.
- „Eine Frau, die weiß was sie will“. Die Operette von Oscar Straus (Libretto Alfred Grünwald – beiden hatten Villen in Bad Ischl) gibt man im Kongress-und Theaterhaus – ich habe leider kein Ticket ergattert.
- „Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?“ – eine der berühmtesten Melodien daraus, am genialsten gesungen von Fritzi Massary.
- Ihr Mann Max Pallenberg war Max Reinhardts Mephisto in der legendären Faust-Stadt in Salzburg)
- Musikmaschine: Am Hettegger Anbau des Lehár Theaters können die Zuschauer:innen einen Musikroboter steuern – machte am Eröffnungstag einen Heidenlärm :-)
- Enthüllung: SOLANGE #29 von Katharina Cibulka – Pinker Tüll auf Staubschutznetzen auf der Fassade der Post
- Der ÖBB Regional Express als VR – Erlebnis mit der neuen Kulturhauptstadt App (ab März 2024)
- Im schönen Post Gebäude in Ischl: „Luv Birds in toten Winkeln“ – Installation
- Traunseepromenade in Gmunden: Das Plateau Blo, entworfen von Student:innen der Kunstuni Linz bekommt noch drei weitere Plattformen dazu – die über den Traunsee dümpeln werden, eine davon als Sauna.
kultur salzt europa: Installationen, Interventionen, Projekte und Performances in Bad Ischl / Salzkammergut 2024
Das Programmbuch „kultur salzt europa“ ist über 300 Seiten stark: Etwa soviele Projekte gibt es auch 2024 im Rahmen der Kulturhauptstadt. Da sind altbekannte Events aus dem Salzkammergut wie der Glöckler:innenlauf (sic!) und die Nacht der Ballone dabei, aber natürlich viel mehr Neues: Einiges ist noch im Entstehen, es sind zahlreiche einmalige Events dabei, aber auch höchst außergewöhnliche Projekte – eine Auswahl:
Etwa Fahrrad Touren auf den Spuren der Fahrradpartisan:innen, ein Litfasssäulen-Magazin, ein Attwenger Konzert am Dachstein, ein Theater Workshop zur wahren Story hinter dem Weissen Rössl (ich sage nur „Lauffener Wirtin“), Skulpturen, Autoren-Automaten, Sound-Installationen, Remote Stadtführungen, ein Hörtheater in der TraunseeTram, eine Carte Blanche für Klaus Maria Brandauer, die Grundlseer Wassermann Sage als Oper, virtuelle Museen und – EIN TRIBUT an STEFAN ZWEIG (das musste jetzt sein :-) in Altaussee, Gmunden und Ischl übers Jahr verteilt. Das Literaturmuseum in Altaussee wird zum 150. Geburtstag von Hugo von Hofmannsthal im Juni 2024 neu eröffnet. Und auch das Ischler Stadtmuseum mit jenem Balkon, auf dem sich Kaiser Franz Josef und Elisabeth in Bayern verlobt haben, wird endlich renoviert.
Es hilft also nix: Ihr müsst das Programmbuch schon selbst durchackern und das Passende rauspicken. Und wie sagte die Künstlerische Leiterin bei der PK so treffend:
„Für jeden ist was dabei, aber nicht alles wird für alle sein.“
7 kleine Freuden zwischendurch in Bad Ischl
Aufwärmen, Abtauchen, Abhängen
- Um einen Blick in die aktuellen Tageszeitungen zu werfen (und all jene Artikel über die Kulturhauptstadt zu lesen, deren Verfasser:innen man anderntags noch im Pressefoyer bei der Arbeit gesehen hatte), geht man am besten ins Kaffeehaus und da zum Ramsauer. Ein Wermutstropfen: Sonntags geschlossen. Dafür hat es einen einladend geheizten Kamin, guten Kaffee, echte Kaffeehausatmosphäre (mit allem was man dazu aus Wien so kennt) und eben die Zeitungen. Dazu lobenswerter Weise noch ein Touch der guten alten Zeit mit Bildern von Lehár, Tauber, Oscar Strauss, Katharina Schratt und Konsorten – an den Wänden. Ich mag das.
- Zum Frühstücken, Tratschen und für den Zuckerschock am Nachmittag gleich nach der Ankunft war ich mehrmals im Zweitwohnsitz: Die engagierten und superfreundlichen Frauen dort an der wunderschönen Theke haben immer ein Lächeln parat, es ist irre gemütlich, warm und einfach entzückend. Hunde offenbar auch willkommen (Wasserschüsseln unter der „Bassena“), ein kleines Concept Store ist angeschlossen, ich fands genial.
- Noch mehr Süßes gibt´s superfrisch im Rührwerk: Die hiesigen Riesen-Schnecken (ich glaub, die gehen um´s Dreifache auf!) schmecken warm so gut, dass man nicht aufhören kann – währenddessen beobachtet man das Team in der Schaubackstube beim Drehen oder Füllen der frischen Schaumrollen. Für deren Genuss kommt man übrigens von weit her, wie man hört…
- Zum Zauner geht man sowieso eh auch immer: Ich mag das Grand Café an der Esplanade, weil man da so schön auf den Fluss sieht. Im Sommer überhaupt unschlagbar, da kommt noch der Blick auf die Promenade, die Tauber Villa und die Katrin dazu.
- Ich sage nur Kurdirektion: Eine Buchhandlung, Event-Lokal und ein Verlag – unbedingt vorbeischauen, liegt gegenüber der Therme am Weg zum Bahnhof Bad Ischl.
- Am Bahnhof in Bad Ischl gibt es jetzt nicht nur das GENUSSLABOR, geführt von Student:innen der Tourismusschulen Bad Ischl gemeinsam mit „Krauli“ Held (Siriuskogel), sondern auch ein Coworking Office mit 17 Arbeitsplätzen (online buchbar)
- Not to be missed in Bad Ischl: Die Galerie AM FLUSS von Daniela Auerbach gleich beim Zauner auf der Esplanade beim Tauber Steg. Dort gibt es immer was zu sehen, zu stöbern und zu staunen und vor allem: Man ist stets herzlich willkommen. Best place to be.
Meine Lesetipps zur Kulturhauptstadt Bad Ischl
Es geht halt nicht ohne: Hier kommen meine persönlichen Lesetipps rund um Bad Ischl für alle, die so wie ich – immer mehr und vor allem auch was über die Vergangenheit wissen wollen.
- Der Schauspieler Heinz Oliver Karbus schreibt über die Ischler Widerstandskämpferin Resi Pesendorfer, die im Rahmen der Kulturhauptstadt 2024 im Mai ENDLICH ein Denkmal bekommt – im Kurpark: LINK zum Buch (Lyrik)
- Hab ich mir diesmal aus Ischl mitgenommen: Archivbilder Salzkammergut (Alte Ansichten)*
- Für mich immer Pflichtlektüre: Marie Theres Arnbom, „Die Villen von Bad Ischl“*
- „Glücksorte im Salzkammergut“*, ein Must Have von meiner Kollegin Viktoria Urbanek kuratiert und zauberhaft geschrieben
- „Es muss was Wunderbares sein“*; Dietmar Grieser – Wenn mir das wer schenken will, gerne!
- „Salz Seen Land“*, das Buch zur Kulturhauptstadt, Hrsg. von der genialen Julia Kospach mit Beiträgen von Angelika Hager, Eva Menasse, Barbara Frischmuth, Günter Kaindlsdorfer, uvm. – auch hier würde ich mich über einen Sponsor freuen :-)
- Und noch ein TV Tipp: Günter Kaindlsdorfers (Ö1) Liebeserklärung „Ischl persönlich„
Sommerfrische Tipps Bad Ischl: Wo man gewesen sein muss
Hotel Tipp Bad Ischl: Hotel Goldenes Schiff
Noch mehr günstige Unterkünfte in Bad Ischl und das Hotel Goldenes Schiff:
1 comment
Selten so etwas Langweiliges, schlecht geschriebenes gelesen