Wiener Neustadt galt bislang nicht gerade als touristischer Hotspot. Seit der NÖ Landesausstellung hat sich aber – zumindest kulturell – schon einiges getan. Jüngster Erfolgswurf ist das Milch & Honig Kultur Festival 2023.

Wr. Neustadt hat touristisch wohl doch noch einige Kilometer vor sich. Aus dem Fundus der NÖ Landesausstellung 2019

Wiener Neustadt: Die Hauptstadt der Wiener Alpen?

Seitdem ich weiß, was sich in den letzten Jahrtausenden in und um Wr. Neustadt abgespielt hat, frage ich mich: Warum ist es eigentlich KEIN Hotspot mehr? Wiener Neustadt war Hauptstadt des Heiligen Römischen Reichs, ist voller historischer Gebäude, hat Cafés und eine große Fußgängerzone, liegt seit jeher am wichtigen Handelsweg gen Süden zum Meer und war Industriehochburg mit bekannten österreichischen Markenprodukten. Doch im Bewusstsein der Österreicher ist Wr. Neustadt natürlich immer auch mit den letzten Kriegstagen und den Bombardements sowie als Standort der Militärakademie und seit jeher für die Rüstungsindustrie und Schwerindustrie verankert.

Zur Landesausstellung 2019 hat man Geld in die Hand genommen und u.a. die Kasematten und das Museum St. Peter an der Sperr vitalisiert. Das Kulturprogramm ist mittlerweile wirklich reichhaltig, nicht zuletzt wegen des neuen Milch & Honig Festivals, das 2023 unter Christoph Zimper startete.

Der Hauptplatz Wr. Neustadt

Wiener Neustadt macht sich frisch: Milch & Honig Festival 2023

Nachblick: Die NÖ Landesausstellung 2019 in Wr. Neustadt

In der NÖ Landesausstellung 2019 ging es um Mobilität, um Wr. Neustadt als Stadt und die Geschichte und Geschichten dazwischen. Die Ausstellungsmacher haben in der Region Menschen und Geschichten gesucht und zu einer stimmigen Erzählung zusammengestellt: Die Welt in Bewegung und Wiener Neustadt mitten drin.

Die Kasematten Wr. Neustadt

Die Kasematten waren einst die Befestigungs- und Wehranlage der Stadt, wurden umfassend revitalisiert und sind nun unterirdisch als Ausstellungs-Location, aber auch als wunderbare Kulturlocation zugänglich. Multimediale Projektionen an den alten Mauern aus dem 12. und 13. Jahrhundert beeindruckten während der Landesausstellung.

Natürlich geht es hier in den Kasematten auch um die Flugzeugproduktion und das erste offizielle österreichische Flugfeld in Wr. Neustadt, um die Industrialisierung und die schlechten Arbeitsbedingungen der Arbeiter in den Fabriken der Region, um die Fliegerangriffe und die Zwangsarbeiter. All das gehört dazu zur Stadt, zur Geschichte und zur Mobilität.

Außerdem: Wie mobil waren früher die fahrenden Händler, die Hausierer und Straßenverkäufer und was geschah mit der jüdischen Gemeinde in Wr. Neustadt? Wo kamen die tausenden Zwangsarbeiter nach dem Krieg her? Wie war die Situation der Arbeiter in den Fabriken in Wr. Neustadt? Warum schrieb Peter Rosegger schon 1873 über die Umweltverschmutzung in der Region? All das erschloss sich damals aus der Landesausstellung und machte Wr. Neustadt zu einem spannenden Ausflugsziel.

Während des Milch & Honig Festivals besuchte ich die Kasematten 2023 seitdem zum ersten Mal wieder und konnte an einer Führung mit Kulturvermittler Werner Hessler, einem Fachmann in Sachen Wr. Neustädter Dom mit einem riesigen Geschichtswissen, teilnehmen. Neben dem Palais Coburg und den Kasematten in Graz ist nur noch hier eine solche Bastei erhalten.

Das Museum St. Peter an der Sperr

Einst ein Kloster, heute ein supermoderner und schöner Museumsbau mit viel Sichtbeton, aber auch viel Luft und Freiraum und einer großen Welcome Area. Dabei ist jeder Raum anders gestaltet, fad wird´s so nicht. Hier geht´s um die Geschichte der Stadt als Dauerausstellung auf zwei Ebenen nebst einer Barockausstellung (Stand 2023). Zur Landesausstellung NÖ war das Museum besonders unterhaltsam aufgestelt.

Wiener Neustadt Landesausstellung graphic
Gestorben an einer Melone. Na, wer hätte das gedacht?

Denn: Zu der Geschichte rund um die beiden wichtigen Habsburger Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. gab es zu jedem Exponat an der Wand Graphic Novels.

Damals musste ich bei fast jedem Bild schmunzeln, weil es der Grafiker geschafft hat, die reinen Geschichtsfakten superwitzig und spannend für alle (auch für die Kids) zu vermitteln.

Man konnte sich richtig reinfühlen in Friedrich und Leonore.

Wiener Neustadt Landesausstellung friedrich
Sie mag´s deftig, er eher vegan. Der Kaiser des Hl. Römischen Reichs in Wr. Neustadt und seine Frau.

Wir erfahren also damals bildhaft mit Wand-Comics, woran Friedrich wirklich gestorben ist, wie dreckig die Gassen von Wr. Neustadt im Mittelalter waren und was das Ehepaar daheim gegessen hat.

Auch dass Leonore ein bisschen tatkräftiger war als das der römische Kaiser  von seiner Frau schätzte (denn hier in Wr. Neustadt war Friedrich Kaiser des Hl. Römischen Reichs) und der darob ein bisserl grantig war.

Ein Prunkstück der Ausstellung damals wie heute: Der Corvinuskelch.

Genial fand ich, dass das Kirchenschiff von St. Peter ebenfalls für die Ausstellung genutzt wird. Und zwar nicht als öde Ausstellungsfläche mit klerikalem Flair, sondern mittlerweilen als Außenstation des Kindermuseums ZOOM in Wien.

Natürlich nehmen die Schwerindustrie, die Rüstungsindustrie, das Leben der Arbeiter in den Fabriken und die Rax-Werke und Flugzeugwerke auch immer noch einen Teil in der Ausstellung ein. Aber immer mit mitreißenden Geschichten der Menschen dahinter; wie zum Beispiel beim Bau und Betrieb des Wr. Neustädter Kanal oder zum damaligen Super-Kaufmann Alexius Funk.

10 Fakten über Wiener Neustadt, die Ihr sicher nicht gekannt habt

  • Wr. Neustadt war immer schon eine wichtige Station auf dem Weg nach Triest ans Meer. Einst als erste Station für die Postkutsche, dann die erste Bahnstation von Wien aus auf der Südbahnstrecke.
  • Wr. Neustadt war Hauptstadt des Heiligen Römischen Reichs.
  • Die bekannte Militärakademie war früher das Wohnschloss von Friedrich III., dem Kaiser des Heiligen Römischen Reichs.
  • Der Wiener Neustädter Kanal, an dem man heute besonders schön radeln und laufen kann – war einst als Verkehrsader und Wasser-Verbindung von Wien an die Adria geplant. So weit kam man allerdings nicht, nichtmal ansatzweise. Heute ist der Kanal noch etwa 36 km lang, 1803 (!) war er 64 Kilometer lang mit 50 (!) Schleusen
  • Der eigentliche Erfinder der Zwölftonmusik war Josef Maria Hauer aus Wr. Neustadt (sein Geburtshaus liegt zwischen Museum und Kasematten). Von wegen Arnold Schönberg.
  • Die berühmten 8mm Filmkameras und die Filmprojektoren unserer Großeltern (bzw. auch Eltern :-) wurden nach dem Krieg in Wr. Neudorf produziert: EUMIG war 1975 der größte Hersteller filmtechnischer Geräte WELTWEIT!
  • Der Erfinder der MATADOR Bausteine, Johann Korbuly – kam aus der Gegend rund um Wr. Neustadt.
  • Das VW Logo wurde von einem Wr. Neustädter entworfen. Jawoll.
  • „The Kiss“, nicht von Klimt: Das berühmte Bild von Victor Jorgensen vom Times Square im Nachkriegs New York – die Dame, die vom Seemann so stürmisch geküsst wird aus Freude über das Ende des Weltkriegs: Das ist die Wr. Neustädterin Greta Zimmer-Friedmann, geflüchtet 1939 vor den Nazis in die USA. Ihre Eltern, Unternehmer in der Neustädter Modebranche, wurden von den Nazis umgebracht – sie hatte rechtzeitig fliehen können.
  • Der letzte „echter Semperitler“ Reifen kommt aus Wr. Neustadt

Wiener Neustadt: Eigentlich das Tor zu den Wiener Alpen

Während der NÖ Landesausstellung 2019 nannte man Wr. Neustadt die „Hauptstadt der Wiener Alpen“. Heute sagt man noch gerne „das Tor zu den Wiener Alpen“, und das stimmt schon eher. Hier kommen ein paar Ausflugstipps in den Wiener Alpen, allesamt einen Katzensprung von Wr. Neustadt entfernt.

Foto im Museum St. Peter an der Sperr: So schön liegt Wr. Neustadt mit Blick Hohe Wand und Schneeberg

Lohnt sich Wr. Neustadt?

Sagen wir mal so: Im Sommer, wenn man in der Innenstadt flanieren kann und die Cafés ihre Schanigärten offen haben, das Wetter super ist und ein tolles Kulturprogramm am Plan steht – dann gibt es in Wr. Neustadt sicher einiges zu entdecken. Noch dazu, wenn man vielleicht ein Radl für den Wr. Neustädter Kanal mit dabei hat und abends Tickets für Kunst und Kultur. Bei meinem Besuch waren allerdings Samstag nachmittag die meisten Geschäfte bereits zu, die Kaffeehäuser eher spärlich geöffnet und einladende Restaurants etwas schwer auffindbar.

Aber ich bin guten Mutes, dass sich das – trotz der vielen aktuell leer stehenden Lokale in der City – dank der vielen Kultur-Events und eines neuen touristischen Konzepts bald ändern wird. Was man sonst noch tun kann in Wr. Neustadt`?


HINWEIS: Ich besuchte die NÖ Landesausstellung 2019 im Rahmen der Presseführung zur Eröffnung. Der Artikel wurde 2023 während des Milch & Honig Festivals aktualisiert.

9 comments

Christine Kasper 4. August 2019 - 00:57

Mir hat die Landesausstellung nicht gefallen: viel Schnickschnack, vergleichsweise wenig Inhalt (das Stadtmuseum hat früher sehr viel mehr über die Stadtgeschichte geboten als zur Zeit der Landesausstellung). Außerdem werden im Ausstellungsteil, der im Museum stattfindet, überdurchschnittlich viele Exponate nur in Form von Fotos und Faksimiles gezeigt. Ich habe den Eindruck, dass es bei der Landesausstellung in Wiener Neustadt vor allem darum geht, möglichst viele Gäste für die Gastronomie zu gewinnen und der Besuch von Ausstellungen nur als Feigenblatt eingeplant wurde, das dem wirtschaftlichen Ziel einen kulturellen Anschein verleiht.

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Sophie 31. Juli 2019 - 22:09

Es hat den Anschein, als hätte man verschiedene Objekte zusammengetragen, um eine Landesausstellung zu gestalten. Das Thema wurde nicht getroffen. Der Teil in St. Peter ist besser, hat aber auch das Thema verfehlt.

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Hannes Gruber 29. Juli 2019 - 15:16

Dass man aus dem Titel „Welt in Bewegung“ sowas darstellen kann ist die eine Sache, dass für wirklich viel Geld eine relativ „dürftige Zusammenstellung“ herauskam ist leider auch Realität!

Das Raum und Bewegungskonzept in den Kasematten ist etwas gewöhnungsbedürftig, viele Ausstellungsobjekte sind weit von ihrer Beschreibung entfernt plaziert, ebenso sind viele Stücke überhaupt nicht beschrieben!

Die Beleuchtung ist einfach nur schrecklich, die Objekte (viele davon) liegen im halbdunkel (möglicherweise sind viele massive Holz und Metallteile nicht „lichtecht“!), dafür leuchten einem die kleinen Halogenstrahler teilweise voll in die Augen!

Dass mit aufwändiger Architektur relativ wenig essentielles gezeigt wird, daran habe ich mich bei den diversen Landesausstellungen inzwischen gewöhnt, aber die „schiefen grünen Bewegungsebenen“ im Museum an der Sperr sind für mich (und wohl auch für viele andere) ein Zeichen für viel nutzlos vergeudetes Geld, die netten Spruchweisheiten hätte man auch woanders wesentlich „preiswerter“ plazieren können!

Vieles in dieser Ausstellung wurde nur gestreift bzw angedeutet, so ist zwar die Schneebergbahn mehrfach erwähnt, auf dem riesigen blauen Hügelbrett ist sie nur als dünner schwarzer „Filzschreiberlinie“ angedeutet, weder sind darauf irgendwelche Flüsse, Berge, Ortschaften und andere eventuell interessante Punkte drauf, sondern nur eine schiefe blaue Hügellandschaft mit etwa 6 m² welche einfach nur Platz verstellt ohne jede Aussagekraft, das hätte man sich auch sparen können!

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Anneliese Hierath 29. Juli 2019 - 09:09

Ich muss Herrn Schiller auf jeden Fall widersprechen! Diese Landesausstellung ist gut. Dafür lohnt sich auch eine längere Anreise. Wer sich wirklich mit den sehr gut präsentierten Objekten beschäftigt hat, konnte die Zusammenhänge mit Bewegung und Mobilität sehr wohl erkennen. Also, für mich war dieses sicher nicht so einfach dazustellende Thema bestens umgesetzt.

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Peter Schiller 21. Juli 2019 - 22:16

Ich war von der Ausstellung sehr enttäuscht und halte sie für eine der schlechtesten Landesausstellungen bisher.
Nichtssagende Objekte, deren Zusammenhang mit dem Thema Bewegung/Mobilität teilweise an den Haaren herbeigezogen scheint, sind aneinander gereiht.
Schade um die Zeit.

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Helmut Puritscher 23. Mai 2019 - 11:08

Was hat EUMIG mit WN zu tun?
Josef Maria Hauer?
Johann Korbuly stammt „aus der Gegend um Wiener Neustadt“?
Was sagt uns das Holzgerüst in der Ausstellungskirche St. Peter an der Sperr?

LG,
Helmut Puritscher

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Angelika Mandler-Saul 26. Mai 2019 - 21:02

Eumig Museum Wiener Neustadt. Alles andere bitte die Kuratoren zu fragen, ich bin nur ein Besucher.

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NÖ Landesausstellung 2019: Zehn Wanderungen um Wiener Neustadt 2. April 2019 - 15:15

[…] widmet sich an mehreren Standorten voll und ganz dem Thema Mobilität. Ein erster Einblick ist bei wiederunterwegs.com zu finden.Die umgrenzende Region der Wiener Alpen vom Schneeberg zur Buckligen Welt und entlang dem […]

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Gabi 31. März 2019 - 10:34

So ein umfassender und interessanter Bericht Macht Lust auf einen Besuch!
Vortrefflich!

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